Liquiditätshilfen, Kredite und Stundungen sollen die Folgen der Corona-Krise mildern

Wo Freie jetzt Unterstützung finden

19.03.2020 Abgesagte Veranstaltungen, entgangene Aufträge, ausbleibende Honorare: Die Corona-Pandemie greift tief in den Arbeitsalltag aller Medienschaffenden ein. Viele freiberuflich Tätige sind von heute auf morgen ohne Einnahmen. Die Bereitschaft der Politik zu schneller, unbürokratischer Hilfe ist parteiübergreifend hoch – etablierte Hilfsprogramme fehlen allerdings (noch). Was Betroffene jetzt tun können.
 
Dirk Feldmann berät den VDS seit vielen Jahren in juristischen Fragen rund um die Themen Medien- und Arbeitsrecht. Präsidium und Mitglieder schätzen die besonnene, sachliche Art des Hamburger Anwalts. Umso alarmierender liest sich der Satz, mit dem er seine Einschätzung der Lage einleitet: „Das Statement zur aktuellen rechtlichen Situation der Freien Journalisten fällt leider dramatisch aus.“

Die Situation ist unübersichtlich. Derzeit werden fast stündlich neue Informationen oder Entscheidungen veröffentlicht, von denen auch VDS-Mitglieder profitieren können. Wir geben hier Antworten auf einige wichtige Fragen und haben – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – eine Liste von Informationsquellen und -sammlungen zusammengestellt, basierend auf unserem Kenntnisstand vom Abend des 18. März 2020. Erfahren wir Neues, werden wir den Text aktualisieren.


Liegt Höhere Gewalt vor?

Viele Juristen sähen die Voraussetzungen dafür gegeben, dass sich Vertragspartner auf das Vorliegen von Höherer Gewalt berufen können, schreibt Dirk Feldmann: „Aufgrund der unkontrollierten Ausbreitung des Virus liegt einerseits eine Epidemie vor, andererseits führen staatliche/behördliche Maßnahmen dazu, dass Veranstaltungen nicht durchgeführt werden können. Damit ist die Erfüllung bereits geschlossener Verträge aufgrund Höherer Gewalt für beide Vertragsparteien unmöglich geworden. Dies führt grundsätzlich dazu, dass beide Vertragsparteien von ihren Leistungspflichten frei werden. Für den Auftraggeber heißt das, das er nicht mehr zahlen muss.“ Ausnahmen seien bereits erbrachte Vorleistungen: Diese müssten bezahlt werden. Auch könne Höhere Gewalt als „wichtiger Grund“ zur Kündigung von Pauschalverträgen oder Verträgen für so genannte Feste Freie ohne Einhaltung von Fristen dienen. Dennoch rät der Anwalt, eine solche Kündigung nicht ohne weiteres hinzunehmen: „Trotz dieser rechtlichen Bewertung sollte aber jede(r) Freie, dem bereits zugesagte Leistungen verweigert werden, in jedem Einzelfall prüfen (lassen), ob nicht Umstände vorliegen, die eine Ausnahme von obiger Einschätzung rechtfertigen können.“

Anders ist die Situation allerdings bei verbindlich erteilten Aufträgen, die nicht von der Durchführung bestimmter Veranstaltungen und sportlicher Events abhängig sind. Ein derartiger Auftrag für einen Artikel oder eine Fotostrecke in einem Medium, das nach wie vor erscheint, kann weiterhin erfüllt werden. Der Auftraggeber ist nicht berechtigt, im Hinblick auf seine möglicherweise verschlechterte wirtschaftliche Situation den Auftrag zu stornieren. Finanzielle Schwierigkeiten führen nicht dazu, dass die Vertragserfüllung im juristischen Sinn „unmöglich“ wird.

Auch das persönliche Gespräch mit dem Auftraggeber könne hilfreich sein, um eine individuelle Lösung zu finden und eine zumindest teilweise Weiterzahlung von Pauschal-Honoraren zu verhandeln, sagt VDS-Präsidiumsmitglied Arno Boes: „Auftraggeber werden ja weiterhin auf die zuverlässige und fachlich hochwertige Mitarbeit der freien Journalist*innen angewiesen sein.“


Was tun, wenn man selbst infiziert ist?

Hier ist die Sachlage klar: Wem aufgrund behördlicher Anordnung persönlich verboten wird, eine Tätigkeit auszuüben, für die ein Honorar vereinbart war, für den sieht das Infektionsschutzgesetz in § 56 eine Entschädigung vor. Dabei geht die zuständige Behörde von dem Gewinn aus, der im Steuerbescheid für das letzte Kalenderjahr festgestellt wurde. Dirk Feldmann weist allerdings darauf hin, dass jeder Betroffene verpflichtet ist, den Schaden möglichst gering zu halten: „Wer auch im Homeoffice arbeiten und dort seinen Auftrag erfüllen kann, muss dies auch tun.“ Und: „Es muss sich um eine offizielle Quarantäne handeln. Wer begründete Angst hat, sich möglicherweise angesteckt zu haben, sollte also nicht einfach zuhause bleiben und auf eine spätere Erstattung hoffen, sondern einen Arzt oder direkt das Gesundheitsamt konsultieren.“

Hier § 56 IfSG im Wortlaut:
(1) Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können.
(2) Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gewährt, soweit der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt.
(3) Als Verdienstausfall gilt das Arbeitsentgelt (§ 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch), das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung
in angemessenem Umfang zusteht (Netto-Arbeitsentgelt). (…) Verbleibt dem Arbeitnehmer nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder bei Absonderung ein Teil des bisherigen Arbeitsentgelts, so gilt als Verdienstausfall der Unterschiedsbetrag zwischen dem in Satz 1 genannten Netto-Arbeitsentgelt und dem in dem auf die Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder der Absonderung folgenden Kalendermonat erzielten Netto-Arbeitsentgelt aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis. Die Sätze 1 und 3 gelten für die Berechnung des Verdienstausfalls bei den in Heimarbeit Beschäftigten und bei Selbständigen entsprechend mit der Maßgabe, dass bei den in Heimarbeit Beschäftigten das im Durchschnitt des letzten Jahres vor Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder vor der Absonderung verdiente monatliche Arbeitsentgelt und bei Selbständigen ein Zwölftel des Arbeitseinkommens (§ 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) aus der entschädigungspflichtigen Tätigkeit zugrunde zu legen ist.
(4) Bei einer Existenzgefährdung können den Entschädigungsberechtigten die während der Verdienstausfallzeiten entstehenden Mehraufwendungen auf Antrag in angemessenem Umfang von der zuständigen Behörde erstattet werden. Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme nach Absatz 1 ruht, erhalten neben der Entschädigung nach den Absätzen 2 und 3 auf Antrag von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang.


Wie kann man laufende Kosten reduzieren?

Selbstständige und Freiberufler leisten viermal im Jahr (wie jetzt gerade am 10. März) Einkommenssteuer-Vorauszahlungen. Bemessungsgrundlage dafür sind die Einnahmen der Vorjahre. Brechen nun infolge der Corona-Krise Einnahmen weg, können eine Herabsetzung des Betrags sowie die Stundung fälliger Steuern beim zuständigen Finanzamt beantragt werden.

Die Künstlersozialversicherung bietet ihren Versicherten die Möglichkeit, ihre Einnahmeerwartungen nach unten zu korrigieren und so die Beiträge zu senken. Dazu kann dieses Formular verwendet werden.

Hier ist allerdings zu beachten, dass die Reduzierung der Beiträge zu einer Reduzierung der Bemessungsgröße für Leistungen wie Krankentagegeld etc. führt.


Welche sonstigen Hilfen gibt es?

Die Bereitschaft der Politik, auch Solo-Selbstständigen und Freiberuflern schnell und unbürokratisch Hilfe zukommen zu lassen, ist hoch, die Sache hat allerdings zwei Haken: den Föderalismus, der zu schwer durchschaubaren Zuständigkeiten auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene führt, und die Tatsache, dass Verfahren, wie diese Hilfen fließen können, erst ausgearbeitet werden müssen.

A. Unterstützung auf Bundesebene

KfW-Kredite:
Diese Kredite können zur Überbrückung bei der Hausbank beantragt werden. Unsere Recherchen ergaben jedoch, dass bei den Banken und Sparkassen bislang noch keine Informationen vorliegen, nach welchen Kriterien diese zu vergeben sind und in welchem Umfang die KfW Risiken abdeckt. Mit der Ausarbeitung wird in KW 13 oder KW 14 gerechnet. Bis dahin, so ist zu hören, gelten die bislang üblichen Bewilligungsverfahren mit langen Bearbeitungszeiten.

Nothilfefonds/Grundsicherung:
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat angekündigt, dass auch Selbstständige Leistungen aus der Grundsicherung bekommen können, zum Wie gibt es aber noch keine Informationen.

B. Unterstützung auf Landes- und kommunaler Ebene

Bayern hat als erstes Bundesland ein Soforthilfeprogramm für Betriebe und Freiberufler eingerichtet, das Liquiditätsengpässe ausgleichen helfen soll. Informationen dazu gibt es hier: stmwi.bayern.de/soforthilfe-corona/#Soforthilfeprogramm

Das Land Baden-Württemberg hat Ähnliches angekündigt.

Auch in vielen Kommunen sind Initiativen in Vorbereitung, die Selbstständigen und Kleinbetrieben zugutekommen sollen. Leider gilt auch hier: Wer was wo und wie schnell beantragen kann, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht konkret zu sagen.

C. Sozialfonds

Die VG Wort hat einen Sozialfonds, bei denen alle Journalist*innen, die einen Wahrnehmungsvertrag mit der Verwertungsgesellschaft abgeschlossen haben, Unterstützung beantragen können.

Die VG Bild-Kunst prüft derzeit, in welcher Weise ihr Sozialwerk helfen kann.


Wo gibt es weitere Informationen?

Andere (Journalisten-)Verbände und Institutionen stellen ebenfalls Informationen bereit:

Deutscher Journalisten-Verband
Infos zum Thema „Freie und Corona“
Auf Facebook: DJV Freelance – DJV Freie Journalisten

ver.di
Handreichung für die Unterstützung selbständiger und freier Kulturschaffender
Auf Facebook: Selbstständige in ver.di

Bundesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft Deutschland e.V.
Auf Facebook: Don’t stop creativity

Berufsverband Bildender Künstler

Deutscher Kulturrat

Deutscher Industrie- und Handelskammertag


Linksammlung/Forum
Jimdo-Blog für Unternehmer zu Corona-Hilfen für Freiberufler, Selbstständige und kleine Unternehmen
Austausch-Gruppe auf Facebook


Petitionen
Hilfen für Freiberufler und Künstler während des „#Corona-Shutdowns“
Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für sechs Monate

Das VDS-Präsidium wünschen allen VDS-Mitgliedern, dass sie diese Pandemie sowohl gesundheitlich wie auch wirtschaftlich möglichst unbeschadet überstehen. Bleibt gesund und haltet euch an die Empfehlungen von Medizinern und Wissenschaftlern! Und nutzt die auftragsfreie Zeit auch dazu, Unterlagen über das bisherige Einkommen durch Honorarabrechnungen, Steuererklärungen oder vertragliche Vereinbarungen zusammenzustellen. Es ist zu erwarten, dass diese Angaben bei Antragstellung für Fördermittel oder zur späteren Bewertung von Verdienstausfällen durch die Behörden angefordert werden.