Wie geht es bei den Frauen im Fußball weiter?

Nach dem EM-Boom

13.09.2022

Die Fußball-Europameisterschaft der Frauen stieß in Deutschland auf große mediale Resonanz. Die Frage bleibt: Hält das Interesse an? sportjournalist-Autor Frank Schneller hat sich bei Kenner*innen der Branche umgehört.

 

Als sich auch der sonst wenig mitteilsame Bundeskanzler schon vor seinem Finalbesuch in Wembley zu Wort meldete und, wenn auch etwas undifferenziert, „equal pay“ für Deutschlands Fußballerinnen forderte, war klar: Das Momentum liegt auf Seiten der DFB-Auswahl. Weiterer Fingerzeig: die historische Besonderheit, dass es der Frauenfußball erstmals auf den Titel des Fachmagazins kicker schaffte – und das nach acht bereits EM-Titeln, zwei gewonnenen Weltmeisterschaften und einem Olympiasieg.

Deutschlands beste Fußballerinnen hatten sich ungeachtet des verlorenen Endspiels, für das die ARD unter anderem den „Tatort“ ausfallen ließ, ins Rampenlicht gespielt und viele Herzen erobert. Anders als bei der völlig falsch angepackten Heim-WM 2011. Und anders als zu Zeiten der „Pferdeschwanz“-Kampagne 2019, als die Spielerinnen sich derart breitbeinig an den Männer-Klischees abarbeiteten, dass das wichtige Augenzwinkern dabei zu kurz kam.

Diesmal waren die die Spielerinnen einfach: sie selbst. Kein Marketingprodukt. Weil sie leidenschaftlich kämpften, guten Fußball boten, erfrischende und authentische Interviews gaben, entwickelte sich eine Eigendynamik. Noch dazu in Zeiten, in denen ihr (Image-)Erfolg die gesellschaftlich höchst relevante Debatte um Gleichberechtigung bediente (Schlammerl-Foto: Ina Fassbender).

Die Einschaltquoten bei den Öffentlich-Rechtlichen kletterten von knapp sechs Millionen zum EM-Auftakt gegen Dänemark bis auf Rekordhöhe beim Finale: 17,9 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer am Bildschirm bedeuteten einen Marktanteil von 64,8 Prozent. Doch was wird aus dem Momentum? War die EM mehr als nur Folklore, Zeitvertreib für Erfolgs-„Touristen“? Was kann transferiert werden in den bislang oftmals tristen Liga-Betrieb der Spielerinnen, ihren Alltag abseits des EM-Sommers?

„Es ist leider immer noch eine eventbezogene Begeisterung“, sagte die 1. VDS-Vizepräsidentin Elisabeth Schlammerl bei einer Diskussionsrunde in Herzogenaurach noch zu Beginn der EM. „Die Berichterstattung geht bei Europa- und Weltmeisterschaften rauf, kippt dann aber ab – die traditionelle Bundesligaberichterstattung wie bei den Männern findet bei den Frauen nur sehr spärlich statt. Es geht überall um Auflage und Klick-Zahlen. Lässt das Interesse der Leser*innen nach, sinkt auch die Bereitschaft der Medienhäuser, über Frauenfußball zu berichten.“

Marketing-Experte Trautwein: „Nachhaltig in Infrastruktur investieren“

Der Durchbruch sei schon öfter prophezeit worden, aber diesmal sei die Chance wirklich da, behauptet indes Jens Kirschneck von 11Freunde, diesmal wirke die Euphorie echt. Auch in den Medien. Viele Kolleginnen und Kollegen gaben nach der EM eine ähnliche Prognose ab.

Dennis Trautwein, Managing Director Germany & France der Marketing-Beratungsagentur Octagon, war ebenfalls Gast bei der Podiumsdiskussion in Herzogenaurach. Seine Forderung: „Es muss nachhaltig in die Infrastruktur für den Fußball der Frauen investiert werden – auf allen Ebenen. Im internationalen Vergleich sieht man, was ein konsolidiertes Investment und ein strukturierter Plan mit sich bringen können.“

Als Beispiel führte Trautwein die „Women’s Super League“ in England an. Vor elf Jahren gegründet, gilt die Liga als weltweit mit Abstand stärkste, mit einer gesunden kommerziellen Struktur. Ihr Partner Barclays zahle über drei Jahre circa 30 Millionen Pfund für sein Namensponsoring, sagte Trautwein (Krobitzsch-Foto: Thomas Böcker/DFB).

„Die Liga konnte so professionell aufgestellt werden, dass angemessene Medien- und Sponsorenverträge dabei heraussprangen. Getrieben ist das ganze vom Verband. Der hat das Potenzial des Frauenfußballs gesehen und daran geglaubt. Dieses ist in Deutschland nicht geringer, es bedarf nur der Konsequenz, die Pläne auch durchzuziehen.“

Um für das Produkt zu werben, bräuchte es zudem ein authentisches Storytelling, sagt Trautwein. Das sei der Kern einer jeden Sponsorenpartnerschaft. Dabei seien die Zielgruppen beim Fußball der Frauen innovationsfreudiger und offener. Dies erlaube nuancenreichere Strategien und Storys – was wiederum den Weg in die Medien ebne. „Hierbei“, so Schlammerl, „besteht durchaus auch eine Bringschuld seitens der Vereine“. Wer gute Geschichten liefern kann, über den wird häufiger berichtet.

DFB-Funktionärin Krobitzsch: „Da geht auf jeden Fall noch mehr“

Doch auch die Medien dürfen sich nicht nur animieren lassen, sondern müssen initiativ werden – so jedenfalls lässt sich die Kritik von Claudia Krobitzsch, Senior Manager Diversity and Inclusion beim DFB, deuten. Sie warnte noch während der EM vor zu viel Selbstzufriedenheit auf beiden Seiten.

„Ich finde es gut, dass man das Turnier in Deutschland unkompliziert sehen kann, das war ja nicht immer so. Aber: Ich bin enttäuscht von der medialen Begleitung. Da geht auf jeden Fall noch mehr.“ Ihr Maßstab? „Die Berichterstattung während einer EM im Fußball der Männer.“ Wenn es um Gleichberechtigung geht, braucht es bei allem temporären Jubel eben auch solche Stimmen. Oder eine gut getimte Einlassung aus dem Kanzleramt.

Frank Schneller, Jahrgang 1969 und Mitglied des Vereins Hamburger Sportjournalisten, ist selbstständig tätig. Er leitet in der Hansestadt das Redaktionsbüro Medienmannschaft.