Alles soll raus

Ausverkauf bei DuMont

14.06.2019 Die Zeitungsbranche ächzt. Die Auflagen sinken rapide, die Anzeigen laufen ebenfalls nicht mehr. Auch deshalb will sich der Verlag DuMont von allen Regionaltiteln trennen – am besten gleich morgen.
Autor: Gregor Derichs
Eine führende Zeitung der Stadt am Kiosk für einen Euro zu bekommen dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Die Preisspirale hat sich auch beim täglichen Druckwerk weitergedreht. Junge Leute sagen manchmal, Zeitungen kämen für sie auch deshalb nicht in Frage, weil sie viel zu teuer seien. Alles ist im Netz billiger zu haben, und man muss – abgesehen vom Handy, das man ohnehin immer dabei hat –, nichts herumschleppen. Für einen Euro kann man aber auch mehr bekommen. Wie wäre es mit drei oder gar vier Zeitungen auf einen Schlag, also sozusagen den ganzen Verlag auf einmal? Alles drumherum, den ganzen Apparat und die Mitarbeiter dazu!
 
DuMont war einmal ein stolzer Verlag, das Kerngeschäft war engagierter Journalismus, der Kölner Stadt-Anzeiger das meistzitierte Blatt der Republik, weil seine Strippen zu den Regierenden in Bonn so gut funktionierten. Der Express war als Boulevardzeitung so frech, dass sich Bild dort gern sein Führungspersonal holte. Inzwischen wird der Auflagenschwund immer dramatischer. Minus 9,4 Prozent waren es laut IVW-Zählung bei der verkauften Gesamtauflage (Köln/Bonn-Ausgabe und Düsseldorf-Ausgabe) im Vergleich des ersten Quartals 2019 zum vierten Quartal 2018 (in der ursprünglichen Fassung dieses Artikels war von minus 22,6 Prozent die Rede. Wir bitten darum, den Fehler zu entschuldigen; die Red.).
 
DuMont will neben Stadt-Anzeiger und Express auch die Berliner Zeitung, die Mitteldeutsche Zeitung in Halle, den Berliner Kurier und die Hamburger Morgenpost so schnell wie möglich loswerden. Statt mit den angestrebten 300 Millionen Euro, so schreiben es die Branchenbriefe, müssten sich die Verlagsgesellschafter am Ende wohl mit 150 oder nur 100 Millionen zufriedengeben. Trotzdem soll bitte, bitte alles raus. Die fünf Zeitungen sollen auf einen Schlag weg. Käuferschlangen bilden sich für Print nicht mehr, angeblich haben nur Madsack und Funke Interesse bekundet, aber nicht an allen Titeln.
 
In allen Redaktionen, wo schon viele Stellen gekappt wurden, wachsen die Sorgen über eine ungewisse Zukunft weiter an. Der Stadt-Anzeiger und die Mitteldeutsche Zeitung sind im Prinzip gut funktionierende Blätter. Sie üben auf den expandierenden Madsack-Verlag und Funke, das bei den eigenen Blättern das große Job-Killen weiter durchzieht, offenbar einen gewissen Reiz aus.
 
Auf die von ständigen Eigentümerwechseln geplagte Berliner Zeitung, den Kurier und die Hamburger Morgenpost, so heißt es im Fachorgan Horizont, habe ein mittelständiger Berliner Unternehmer „mit verlegerischer Erfahrung, gut vernetzt in der Politik“ ein Auge geworfen. Nun gibt es folgendes Szenario: Funke oder Madsack nehmen DuMont alle Titel ab und reichen jene, die sie nicht haben wollen, für einen „symbolischen Preis“ weiter. Dieser symbolische Preis liegt oft, wie zum Beispiel bei Karstadt, bei einem Euro.
 
Kaum vorstellbar, dass an solch eine Investition größeres Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft von Mitarbeitern geknüpft ist. Wenn es schwierig wird, macht man die Läden einfach zu. Oder verhökert alles noch mal für einen Euro. Verschenken ist keine Alternative, dann schlägt das Finanzamt zu.

Zufrieden, weil immer nur prekäre Beschäftigungsaussichten kennengelernt?
 
Nach Zufriedenheit mit dem Job im Journalismus zu suchen hat sich zu einem komplizierten Projekt entwickelt. Die Klagen überwiegen bei weitem, vor allem bei den älteren Jahrgängen. Die Anforderungen werden immer heftiger, schildert der Kollege einer großen Regionalzeitung die Entwicklung, die wohl vielerorts gilt: Wir tun alles, was wir können, aber unser Produkt wird schlechter. Dennoch gaukeln wir dem Leser vor, dass wir noch immer so gut sind wie früher.
 
Spricht man mit Vertretern jüngerer Jahrgänge, steigt die Quote derer deutlich, die die Branche optimistisch einschätzen und ihren Beruf grundsätzlich fröhlich ausüben. Sie sind vielleicht besser auf den Umbruch von Print zu Online vorbereitet und haben von Beginn an nur prekäre Beschäftigungsaussichten kennengelernt. Aber ihr Hauptargument lautet etwa so: Journalismus, was sonst, ist noch immer ein Traumjob. Und Sport sowieso.

Gregor Derichs ist seit 2001 als freier Sportjournalist tätig. Zuvor arbeitete der 65-Jährige unter anderem in verantwortlicher Position bei dapd, dpa und SID. Der ausgebildete Diplom-Sportlehrer trat als Mitautor wie Chefredakteur zahlreicher Bücher und Magazine in Erscheinung. Zu den Kunden seiner 2015 zusammen mit Dirk Graalmann gegründeten Agentur Derichs & Graalmann Kommunikation gehört unter anderem Fußball-Bundesligist Hoffenheim.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Juni/Juli 2019 des sportjournalist. Hier geht es zur Bestellung des Einzelheftes beim Meyer & Meyer Verlag. Mitglieder des VDS erhalten den alle zwei Monate erscheinenden sportjournalist automatisch per Post und können sich das Heft zudem im Mitgliederbereich kostenlos als PDF herunterladen. Dies gilt auch für ältere Ausgaben.