Ein bisschen stolz

Bilanz der VDS-Versammlung in Dortmund

27.05.2022 Großartiger Journalismus, kontroverse Diskussionen und ein Abschied mit Applaus. Uli Digmayer berichtet von Gala-Abend und Hauptversammlung des VDS im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund.
 
Der Mann, dessen berufliche Zukunft aktuell die Sportberichterstattung beschäftigt, war auch an diesem festlichen Montagabend im Deutschen Fußballmuseum allgegenwärtig. Ob Robert Lewandowski nun weiterhin für den FC Bayern stürmt oder vielleicht doch zum FC Barcelona wechselt, konnte bei der VDS-Gala in Dortmund nicht abschließend geklärt werden. Dafür hat sich der polnische Ausnahmekicker ein weiteres Mal in der deutschen Sportgeschichte verewigt – als Motiv des „Sportfotos des Jahres“ 2021.

„Es war einmal in Kiew“, ist die unter kniffligen Bedingungen im dichten Schneegestöber entstandene Aufnahme überschrieben, sie zeigt einen von Sebastian Widmann (Verein Münchner Sportjournalisten) perfekt festgehaltenen Fallrückzieher des Bayern-Torjägers beim Champions-League-Spiel im November 2021 in einer damals noch nicht von russischen Soldaten überfallenen Ukraine. Ein Aspekt, der dem Schnappschuss eine bittere historische Note verleiht (Foto Preisträger Sebastian Widmann, 2. von links: Edith Geuppert).

Aber auch alle weiteren der 915 eingesandten Fotos, die an diesem Abend prämiert wurden, zeugen von feiner Beobachtungsgabe, technischer Brillanz, journalistischer Leidenschaft und dem Gespür für den richtigen Moment. Ein Niveau, dem die Preisträger der anderen Berufswettbewerbe mit ihren Beiträgen – ob für Print, Online, Hörfunk oder TV – in nichts nachstanden. „Wir haben tolle Beispiele von großartigem Journalismus, den wir im Sport nach wie vor in Deutschland vorzeigen können“, schwärmte VDS-Präsident André Keil zu Beginn der von seinem „Vize“ Arno Boes mit gewohnt sonorer Stimme souverän moderierten und von einem heftigen Gewitter umrahmten Veranstaltung.

Corona hatte auch in Dortmund noch seine Spuren hinterlassen

Wie man diesen Journalismus weiterhin bestmöglich fördern und seine Interessen vertreten kann, darüber hatte man sich in der am Nachmittag vorausgegangenen Hauptversammlung viele Gedanken gemacht. Wegen der Pandemie war das turnusmäßige Treffen der Regionalvereine vom 28. März auf den 23. Mai verschoben worden, trotzdem hatte Corona auch diesmal noch seine Spuren hinterlassen. Viele teils kurzfristige Absagen bescherten ein ungewohnt kleines Teilnehmerfeld: In Hamburg, Osnabrück, Saarland, Schleswig-Holstein, Württemberg, Wiesbaden-Mainz und Sachsen waren gleich sieben Landesverbände (und damit rund 1000 Stimmen) gar nicht vertreten.

Der Rest erlebte eine knapp vierstündige Sitzung in konstruktiver Arbeitsatmosphäre, in deren Mittelpunkt der einstimmig vollzogene Beschluss einer neuen Satzung stand. Die bisherige Fassung mit ihren 43 Paragrafen bedurfte zum einen einer gewissen sprachlichen Renovierung, zudem wurden „zwingend notwendige Änderungen“ (Keil) und Ergänzungen vorgenommen (Foto: Edith Geuppert).

So ist nun etwa juristisch unanfechtbar verankert, dass Hauptversammlung, Wahlkongress und Verbandsrat auch virtuell durchgeführt werden können – die nächste Pandemie kommt bestimmt. Gestrichen wurde der für Zugänge bislang obligatorische Aufnahmebeitrag. „Es bringt uns finanziell nicht viel außer einem hohen Verwaltungsaufwand“, erklärte der neue Schatzmeister Wolfram Köhli; zudem erhoffe man sich durch den Verzicht Vorteile in der Außenwirkung.

Was erwarten sich gerade junge Menschen konkret vom VDS?

Denn nach wie vor hat der Verband Mühe, junge Kolleginnen und Kollegen für einen Beitritt zu begeistern, während er auf der anderen Seite aus verschiedensten Gründen (Berufswechsel, Rente oder Tod) immer mehr Mitglieder verliert. Diesen Negativtrend zu stoppen dürfte in den nächsten Jahren eine der Kernaufgaben des Präsidiums sein. Eine von Keil initiierte Befragung soll Aufschluss geben, was sich gerade junge Menschen vom VDS konkret erwarten.

In diesem Zusammenhang wurde die Diskussion um die Notwendigkeit einer Strukturreform neu entfacht. Als „nicht mehr zeitgemäß“ bezeichnete Klaus Göntzsche, Geschäfstführer des Verbandes Westdeutscher Sportjournalisten, die traditionelle Aufteilung in zum Teil eher kleinere Regionalvereine innerhalb eines Bundeslandes. Dies stieß durchaus auf Widerspruch eben jener „Exoten“ wie dem bayerischen Dreigestirn aus München, Augsburg-Allgäu und Nordbayern, die nach wie vor gut funktionieren und Wert auf ihre Eigenständigkeit legen. Wie Keil betonte, sei das gemäß Satzung auch nicht Sache des VDS-Präsidiums: Die Initiative für eventuelle Fusionen müsste von den Regionalvereinen selbst ausgehen (Foto: Edith Geuppert).

Trotz dieser Probleme sieht Keil „keinen Grund zur Schwarzmalerei“. Der Verband gehe „keinen schlechten Zeiten entgegen“, wehrte sich der Mecklenburger gegen diffuse Zukunftsängste und verwies auf die deutlich gestiegene politische Bedeutung und öffentliche Wahrnehmung des VDS sowie die wichtige berufsständische Arbeit, die man mehr denn je verrichtet. „Wir dürfen uns auch mal auf die Schulter klopfen und ein bisschen stolz auf uns sein“, befand Keil.

Studie zur Rolle des VDS im Nationalsozialismus geplant

Und der Tatendrang ist ungebremst: So steigt etwa vom 13. bis 15. Juni in Oberhausen das 2. VDS-SportFilmFest, das Beisitzer Thorsten Poppe als festen Teil des Veranstaltungskalenders etablieren möchte. Die 1. Vizepräsidentin Elisabeth Schlammerl beschäftigt sich mit den Arbeitsbedingungen im Profifußball nach Corona, der 2. Vizepräsident Arno Boes kündigte für den Sommer einen Rebrush der VDS-Website an, Wolfram Köhli bastelt an einer Datenbank. Und der unermüdliche Ehrenpräsident Erich Laaser möchte in einer Studie nach Vorbild des kicker die Rolle des VDS im Nationalsozialismus aufarbeiten lassen – idealerweise rechtzeitig zum 100-jährigen Bestehen 2027.

Auf ein exzellent funktionierendes Rädchen im Getriebe müssen die deutschen Sportjournalistinnen und Sportjournalisten künftig allerdings verzichten: Ute Maag, die dem VDS seit fast 20 Jahren nicht nur eine fleißige, kompetente und stets verlässliche Geschäftsführerin war, sondern auch so etwas wie seine gute Seele, hat zum 31. Juli gekündigt. Ein Abschied, der mit großem Bedauern aufgenommen, aber auch von anerkennendem Applaus und viel Lob und Dank für die geleistete Arbeit begleitet wurde. „Ich möchte in meinem Leben noch mal etwas anderes Spannendes machen“, erklärte Maag. Ein Satz, den man so ähnlich vielleicht bald auch von Robert Lewandowski hören könnte.