Gegen Beschimpfungskultur im Fußballstadion

Antisemitismus

05.12.2015 Dem Kollegen Ronny Blaschke zuzuhören ist ein Gewinn. Regelmäßig spricht er über Antisemitismus im Fußball. Dieser ist weiter verbreitet, als man glauben mag.
Autor: Dr. Christoph Fischer
Das ist ein sehr ernstes Thema, Antisemitismus ist die älteste Diskriminierungsform in den Stadien. Und es gibt nicht wenige, die davon gar nichts wissen wollen, die das für unmöglich halten. Antisemitismus im Fußball? Judenhass? „Zwischen Abgrund und Aufbruch“ ist das Thema des renommierten Journalisten und Buchautoren Ronny Blaschke.

In Befragungen 70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz erklären 20 Prozent der Befragten, dass Juden in Deutschland zu viel Einfluss haben. Juden seien selbst schuld, wenn sie verfolgt würden. Jüdische Menschen sind weniger wert als nicht-jüdische Menschen. Volkes Meinung 2015.

Im Umfeld des Bundesliga-Klubs Hertha BSC wurde Ende der 1980er-Jahre der Fanklub „Zyklon B“ gegründet. Zyklon B? Das war das Massenvernichtungsgas der Nationalsozialisten in den Konzentrationslagern: Millionen wurden mit Zyklon B von den Schergen Adolf Hitlers ermordet. 1996 kam es zu heftigen Schmähungen bei einem Fußball-Länderspiel zwischen Polen und Deutschland in Zabrze, 60 Kilometer von Auschwitz entfernt. Das ist noch gar nicht lange her.

Antisemitismus ist auch heute noch in Stadien verbreitet

In Dresden, Leipzig, Rostock und Chemnitz, aber auch im Westen der Republik wird im Stadion die Reichsfahne entrollt. Antisemitismus in den hochmodernen Fußballtempeln der Republik? Aber ja doch, immer noch sind „Juden“-Rufe zu hören. Nicht nur im Stadion, auch in Fankneipen und am Bahnhof. Jude ist ein Schimpfwort, und „Juden raus“ ein üblicher Schlachtruf.

Diese Beschimpfungskultur wird im Fußballstadion gelernt. Hat diese Republik wirklich nichts kapiert? Das Problem gibt es nicht nur in der Bundesliga, referiert Blaschke, der über Jahre in Deutschland und Israel recherchierte.
Inzwischen gilt der Berliner als ein Experte auf diesem Sektor. Was in Deutschland gar nicht ungefährlich ist. Angesichts des weiter um sich greifenden Rechtsradikalismus. Und Synagogen, die von Polizisten bewacht werden müssen.

Wenn die Lage im Nahen Osten eskaliert, spüren das auch die Makkabi-Vereine in Deutschland. Auf den Sportplätzen werden sie für die Politik Israels verantwortlich gemacht. Im Sommer haben Neonazis ein Spiel von Maccabi Netanya in Dortmund gestört.

DFB engagiert gegen die sportpolitische Isolierung Israels

Vor Olympia 1952 in Helsinki hatte das israelische Außenministerium seinen Athleten den Wettkampf gegen deutsche Sportler untersagt. 1956 reiste der deutsche Olympier Willi Daume nach Israel, knüpfte und intensivierte Kontakte. 1970 flog Borussia Mönchengladbach erstmals nach Tel Aviv.

Der Deutsche Fußball-Bund stemmte sich gegen die sportpolitische Isolierung Israels durch arabische Staaten. Aber erst zu Beginn des neuen Jahrtausends begannen Verband und Profivereine, ihre Rolle im Nationalsozialismus zu erforschen, berichtet Blaschke.

Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger brachte die Initiativen entscheidend voran. Zwanziger regte den Julius-Hirsch-Preis in Erinnerung an den deutschen Nationalspieler jüdischen Glaubens an, der in Auschwitz ermordet wurde. Warum dauerte das eigentlich so lange? Und was haben diese Aktionen bewirkt? Blaschke spricht darüber in Göttingen, Bremen, Hannover, Gelsenkirchen und andernorts. Man sollte ihm zuhören.