Verein Sportpresse Württemberg

Erinnerung an Wolf Günthner – „Schreib’ einfach, ich les’ dann drüber“

06.10.2022

Er war ein Kollege im besten Sinne – kreativ, stilsicher und hilfsbereit. Mit 73 Jahren ist Wolf Günthner, Mitglied im Verein Sportpresse Württemberg, nun verstorben. Gerd C. Schneider erinnert sich an den Freund aus Studententagen.

 

Montagmorgens war der junge Wolf selten lebensfroh. Montagmorgens saß Wolf Günthner in der Gemeinschaftsküche des Studentenwohnheims und ließ sich beim Lesen der Stuttgarter Zeitung ungerne stören. Wolf, der freischaffende Mitarbeiter der Zeitung, der zeitgleich ein Pädagogikstudium absolvierte, las, unter anderem, seine eigenen Artikel.
 
„Das Bissle, das er liest, das schreibt er selber“, riss der befreundete Schwaben-Rocker Wolle Kriwanek pauschal Witzle über Wolf und uns andere Pädagogikstudenten, die bei der Zeitung ihr Studiengeld verdienten und später dort die Redakteurskarriere starteten (Günthner-Foto: privat).
 
Wolle und Wolf – inzwischen sind sie beide tot. Beide zu früh gestorben, wie man unter Tränen so sagt. Beide hatten ihren Beruf geliebt, beide sich in der Freizeit um die Mitmenschen gekümmert. Um Bedürftige, aber auch um Berufstätige.
 
Wir studentisch-freischaffende Mitarbeiter bei der Zeitung profitierten von Menschen wie Wolf. Ohne sie wären die meisten von uns nie hauptberuflich in einer Redaktion gelandet. Auch das war Wolf Günthner: Er zeigte, längst Redakteur geworden, uns Jungen, wie man unter Zeitdruck schöne Wörter zu schönen Artikeln formt. Ohne solche Helfer und Lehrer in der Redaktion hätten wir Nachwuchsleute kaum den Weg zur Schreibmaschine gefunden.

Unser Sonntagmorgen gehörte dem Handball in Waiblingen
 
Ohne Wolf kein Job im Journalismus, ohne Wolf keine Wochenenden in Sporthallen und Stadien. Unser Sonntagmorgen gehörte dem Handball in Waiblingen. Dort, wo die Liebe hinfiel – Nationalspielerin Ute wurde Wolfs Ehefrau, und ich durfte über Handball schreiben.
 
Wolf, geboren am 8. Januar 1949, schmiss das Studium und trat seine Karriere in den Redaktionsstuben und in der weiten Welt des Sports an. Als uns die Nachricht von Wolfs Tod – gedruckt ausgerechnet in „seiner“ Stuttgarter Zeitung – wie ein K.o. traf, blieb uns die Frage auf den Lippen kleben: „Was sagt man, wenn man sprachlos ist?“
 
Wolf Günthner hatte beim Zeitungmachen und beim Feilen an Agenturmeldungen bei der dpa immer Antworten. Die Recherche saß. Der Schreibstil passte. Die Nachricht war schnell und sauber auf dem Markt. Wolf konnte das, die Familie kannte das: Mit ihr marschierte er schnurstracks durchs Leben, während manche Freunde Umwege gingen (Logo: Verein Sportpresse Württemberg).
 
Ausgerechnet beim Spaziergang in der Talaue an der Waiblinger Rundsporthalle sahen wir uns das letzte Mal – ein Zufallstreff mit Emotionen und Umarmungen. Früher hatte mich „wg“ regelmäßig in diese Rundsporthalle geschickt, wo ich als freier Berichterstatter ein paar Zeilen für die Montagausgabe der StZ verfasste.
 
Auch im Rentenalter gingen Wolf Günthner die Ideen nicht aus. Als freiberuflicher Berater arbeitete er Seite an Seite mit der Ehefrau. Bis mit 73 Jahren sein Herz am 20. August plötzlich aufhörte zu schlagen. Und dann sitzt man da als Kollege und Freund, will ein paar Zeilen schreiben und findet keine Wörter.
 
Wolf, mein Lehrer in der Redaktion, hätte gewusst, was es zu sagen gibt: „Schreib’ einfach! Ich les’ dann drüber.“ Doch Wolf, der Freund aus den Studententagen, ist nicht mehr da.