VWS-Jubilar Siegfried Weischenberg zum 75.

Sportjournalismus ist nie folgenlos

24.03.2023

Er war einer der ersten hierzulande, der Struktur, Funktion und Bedingungen des Sportjournalismus analysierte. Siegfried Weischenbergs wissenschaftliche Studie wurde zu einer bahnbrechenden Arbeit. Am 24. März beging das Mitglied des Verbandes Westdeutscher Sportjournalisten seinen 75. Geburtstag.

Autor: Dr. Christoph Fischer

Fast ein halbes Jahrhundert ist das jetzt her. In Deutschland war man immer noch von der Begabungsideologie überzeugt. Entweder man konnte über Sport schreiben oder man konnte es nicht. Dass man das sogar an einer Universität lernen könnte, daran glaubte die Kollegenschaft nicht. Es waren andere Zeiten. Und dann promovierte ein Sportjournalist aus Wuppertal 1976 mit einer ersten fundierten Kommunikatorstudie zum Sportjournalismus an der Ruhr-Universität Bochum. „Die Außenseiter der Redaktion“ titelte Siegfried Weischenberg wissenschaftlich treffend wie journalistisch exakt, seine Studie zu Struktur, Funktion und Bedingungen des Sportjournalismus wurde eine bahnbrechende Arbeit.

Von der traditionellen Publizistikwissenschaft war dieses außerordentlich produktive journalistische Arbeitsfeld bis in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts eher als „unseriös“ empfunden worden, aber spätestens mit Weischenbergs epochemachender Untersuchung änderte sich das, und setzte eine Entwicklung in Gang, die dem jüngsten der „klassischen“ Ressorts der Tageszeitung endlich die Bedeutung zuwies, die der Medienrealität entsprach (Weischenberg-Foto: privat).

Das hatte vor allem damit zu tun, dass Weischenberg historisch nachgewiesene Zusammenhänge untermauerte und das Sportressort dem klassischen Unterhaltungsbereich im Journalismus zuordnete. Das hatten die alten Strategen des Ressorts stets bestritten und den Unterhaltungswert des Sports strikt geleugnet, das wiederum führte notwendig zu erheblichen Dissonanzen im Selbstverständnis der Sportjournalisten. Weischenberg löste sie auf, der Pionier der neuen Denke feiert am 24. März seinen 75. Geburtstag. Glückwunsch, Herr Professor, verehrter Herr Kollege.

Weischenberg, aufgewachsen im Wuppertaler Stadtteil Wichlinghausen, sein Elternhaus stand auf der anderen Straßenseite des Sportplatzes an der Rathenaustraße. Dort lernte der junge Mann das Fußballspielen, obwohl der Platz eigentlich einer für die vier Feldhandball-Vereine Wuppertals war. Weischenberg machte den Sport zu seinem Beruf, volontierte bei der Neuen Rhein/Ruhr Zeitung (NRZ).

Er arbeitete als Sportredakteur bei der NRZ Wuppertal – zu Zeiten der drei Bundesliga-Jahre des Wuppertaler SV, der legendäre Günter Pröpper erzielte 52 Tore in der Saison vor dem Aufstieg. Die Redaktion befand sich im Herzen von Elberfeld über einem Restaurant. Die NRZ war damals noch vor dem Wuppertaler General-Anzeiger die angesagte Zeitung der Stadt. Weischenberg spielte selbst Fußball in der Auswahl des Verbandes Westdeutscher Sportjournalisten (VWS) und der des Vereins Bergischen Sportpresse (VBS) , sein Ehrgeiz legendär.

Journalist blieb er, aber die Wissenschaft wurde am Ende doch wichtiger. Stationen in Bochum, Dortmund, wo er an der Pädagogischen Hochschule den ersten integrierten Studiengang Journalismus aufbaute, Münster und Hamburg. Weischenberg wurde zu einem der produktivsten Kommunikationswissenschaftler der Republik. Und den Sport behielt er immer im Auge (Cover-Abbildung: Westdeutscher Verlag).

Der Erfolg der „Außenseiter der Redaktion“ beruhte auch darauf, dass da einer nicht ausschließlich der trockenen Wissenschaftsdoktrin verhaftet blieb, sondern durchaus journalistisch zu formulieren pflegte. Das sorgte auch bei den Skeptikern für Anerkennung. Neben Josef Hackforth war Weischenberg derjenige, der die wissenschaftliche Durchdringung des Sportjournalismus entscheidend vorantrieb – und dem Beruf neue Horizonte eröffnete. 

Dabei blieb es aber nicht. Weischenberg war und ist einer der produktivsten Verfasser wissenschaftlicher Studien zum Journalismus insgesamt. Und stets der journalistischen Praxis zugewandt, nicht nur über seine zahlreichen Handbücher. Präsident Weischenberg führte den Deutschen Journalisten-Verband (DJV) von 1999 und 2001, dozierte im In- und Ausland, war Gastprofessor in München, Indiana und Moskau, gesuchter Gesprächspartner in Presse, Funk und Fernsehen.

Weischenberg war und ist ein kritischer Anwalt für die ständige Verbesserung journalistischer Qualifikation durch verbesserte Aus- und Fortbildung - auch und gerade im digitalen Zeitalter. „Der Sportjournalismus sollte für derartige neue Konzepte wichtig genug sein. Denn es ist ein Irrtum, zu glauben, Sportberichterstattung sei folgenlos, weil ihre Helden nur mit Kugeln aus Leder schießen.“ Diese Sätze anno 1976 sind vielen Kolleginnen und Kollegen bis zum heutigen Tage Verpflichtung. Ad multos annos, Siegfried Weischenberg.