Verband der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg

Zum Tode von Jürgen Nöldner – Als Fußballer begnadet, als Mensch bescheiden

26.11.2022

Als Spieler kombinierte er Genialität und Torgefahr, später prägte er den Sportjournalismus im Osten Deutschlands – vor und nach der Wende. Jetzt ist Jürgen Nöldner gestorben. Der frühere kicker-Redakteur, Mitglied des Verbandes der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg, wurde 81 Jahre alt.

Autor: Steffen Rohr

Wenn er anrief – und er rief regelmäßig an –, dann ging es in erster Linie nicht um ihn, nicht mal in zweiter. „Was gibt es Neues beim kicker?“ So lautete meistens die Gesprächseröffnung, und die Frage war nie als Floskel gemeint. Jürgen Nöldner hat auch nach seinem Abschied vom kicker, dessen Berliner Büro er ab 1990 mit aufbaute und das er von 1997 bis zu seinem Eintritt ins Rentenalter 2006 leitete, nie das Interesse und die Neugier verloren.

Am Fußball nicht, im Großen wie im Kleinen, und an den früheren Kollegen auch nicht. Um sich selbst machte er nicht viel Wind. Gegen Schulterklopfer war er immun, das Laute, das Reißerische, das Überhöhte war ihm fremd, auch als Journalist. Er war eine treue Seele und eine ehrliche Haut, als Fußballer begnadet, als Mensch bescheiden. Sein Leben, das am 21. November zu Ende gegangen ist, hätte für zwei Leben gereicht, so viel steckte drin (Nöldner-Foto: privat).

Der Fußballer Nöldner machte fast alles mit links, buchstäblich. „Ein gutes linkes Bein ist besser als zwei schlechte rechte“, hat er gern in Anlehnung an das Bonmot von Ferenc Puskas gesagt. Mit Puskas hat ihn sein Mentor, der einstige DDR-Nationaltrainer Karoly Soos, mal verglichen, und als die DDR-Auswahl bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio im Viertelfinale Jugoslawien geschlagen hatte, da nannte die Bild-Zeitung Nöldner „den Fritz Walter des Ostens“.

Unterm Strich wurden es 30 Länderspiele, gewiss zu wenige für einen Spieler seines Formats, aber erstens gab es in jener Zeit noch Kalenderjahre mit kaum mehr als drei oder vier Länderspielen, und zweitens konnte der am 22. Februar 1941 geborene Nöldner, der zeitweilig Kapitän war, durchaus stur sein. „Ich war auch ein eigenwilliger Typ und und hab’ nicht jedem gepasst“, sagte er und war deshalb eine Zeit nicht dabei im Auswahlkreis.

Als ihn der kicker 1990 für sein neues Berliner Büro holte, da ließ sich Nöldner in seinem Arbeitsvertrag den üblichen Passus streichen, dass er auch an anderen Redaktions-Standorten eingesetzt werden kann – und die Probezeit gleich mit. Es war seine einzige Bedingung, und der kicker akzeptierte sie, weil er wusste, dass sich kein Besserer finden ließe für die Berichterstattung über den Fußball im Osten. „Wenn ich jemanden kritisiert habe, konnte keiner kommen und sagen: Der Nöldner hat keine Ahnung’“, sagte er.

Er war mit Leib und Seele Journalist, ab 1973 beim Deutschen Sportecho, später als Chefredakteur der Neuen Fußballwoche, schließlich beim kicker – allesamt Medien, deren Berichterstattung stets zuerst dem Fachlichen galt und gilt, was ihm wichtig war. Er war Reporter in einer Zeit, in der man Nähe zu denen, über die man schrieb, nicht vorgaukeln musste, sondern hatte. „Ich bin nirgends falsch abgebogen“, sagte er zu seinem 80. Geburtstag, und er sagte das nicht so dahin, er fühlte es, er war mit sich im Reinen. „Es hat alles gepasst.“

Wir danken dem kicker für die Erlaubnis, den Nachruf nützen zu dürfen. Auf der Website des Fachmagazins finden Sie eine Langfassung.