Interview mit Mara Pfeiffer zur Fußball-WM der Frauen

„Ein klarer Fall von Ungleichbehandlung“

03.07.2023

Mara Pfeiffer, 44, ist freiberufliche Journalistin. Sie schreibt Analysen und Kolumnen über Mainz 05 sowie die Rolle des Fußballs in der Gesellschaft und ist Gründungsmitglied des Podcasts „FRÜF – Frauen reden über Fußball“. Vor der WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) spricht sj-Autorin Katrin Freiburghaus mit Mara Pfeiffer über den deutschen Frauenfußball und festgefahrene Strukturen.

 

sportjournalist: Nach der erfolgreichen Frauen-EM gab es eine monatelange Hängepartie um die Übertragungsrechte für die WM 2023. Was ist da passiert?

Mara Pfeiffer: Es zeigt, dass der Fußball der Frauen unverändert vor strukturellen Hürden steht. Die Quoten bei der EM waren richtig gut und haben viele Erwartungen übertroffen. Trotzdem bestand die reelle Gefahr, dass die WM nicht im Fernsehen gezeigt wird. Das ist mit Sachargumenten nicht zu erklären.

sj: War es kontraproduktiv, die TV-Rechte erstmals nicht im Paket mit der Männer-WM zu vermarkten?

Pfeiffer: Nein. Aber wenn die FIFA sagt, sie wolle den Wert von Frauenfußball mit einem eigenen Rechtepaket und höheren Preisgeldern steigern, setzt das nach Jahren auf Sparflamme zu spät an. Hinzu kommt der deutlich zu späte Zeitpunkt der Rechte-Ausschreibung, der die Sender vor Probleme stellte. Das zieht sich durch: Auch die Abstellungsperiode wurde sehr spät festgelegt, auch das schuf und schafft Probleme.

sj: Also hätte sich die FIFA beinahe verzockt? 

Pfeiffer: Bei aller berechtigten Kritik an der FIFA:  Wenn ich höre, welche kolportierte Summe ARD und ZDF als marktüblich angeboten haben, empfinde ich das als Unverschämtheit. Wir reden wohl von weniger als 2,5 Prozent dessen, was für die letzten Männer-WMs bezahlt wurde. Hinzu kommen ärgerliche Scheinargumente wie die Sorge, dass Spiele zu früh stattfänden. In den meisten Bundesländern sind Sommerferien, es gibt Formel 1 mitten in der Nacht, und bei Männer-Turnieren ist das auch kein Thema. (Pfeiffer-Foto: Felix Ostermann)

sj: Schlägt sich die Entwicklung des Frauenfußballs nicht im gleichen Maße in seiner Bewertung nieder?

Pfeiffer: Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen. Allein die Annahme, Frauen müssten zuerst zeigen, dass ihr Sport interessiert, ist angesichts der vielen Verbotsphasen innerhalb der nationalen Verbände unangebracht. Man müsste fördern, nachdem man so stark behindert hat. Die Frauen gehen ständig in Vorleistung – und trotzdem kommt in ihre Richtung viel zu wenig. Das finde ich auch in Sachen Nachwuchs verheerend: Was wird Mädchen da vermittelt?

sj: Woran erkennt man in der Diskussion Scheinargumente? Oft wird Kritik an fehlender Gleichberechtigung damit abgetan, man interpretiere absichtlich fehl.

Pfeiffer: Ich empfehle die einfache Faustregel, sich zu fragen, ob man die Situation auf Männer übertragen komisch fände. Was bei Männern komisch wäre, ist auch bei Frauen komisch. Nehmen wir den jüngsten Fall bei Ajax Amsterdam, wo die Meisterfeier der Frauen wegen der schlechten Saison der Männer abgesagt wurde. Andersherum würde niemand auf eine solche Idee kommen – damit ist es ein klarer Fall von Ungleichbehandlung.

sj: Welche Rolle spielt das mediale Interesse für den Frauenfußball?

Pfeiffer: Mediale Aufmerksamkeit ist ein großer Faktor. Es macht einen Unterschied für die Leute, wenn sie das Gefühl haben, dass Frauen- und Männerfußball ähnlicher behandelt werden. Dass neben den Verbandsspitzen auch der Sportjournalismus männlich dominiert ist, hilft da nicht. Es gibt dadurch keine echte interne Reflexion, und wenn sie von außen kommt, wird sie meist als nervig empfunden. Das ist gar kein böser Wille, aber wenn auf allen Ebenen eine Perspektive fehlt, weil Männer über Frauenthemen sowohl entscheiden als auch berichten, schränkt das den Blickwinkel stark ein.

sj: Wie lässt sich an strukturellem Ungleichgewicht etwas ändern?

Pfeiffer: In der Berichterstattung mit gezielter Förderung von Kolleginnen, in den Verbänden mit Quoten. Das ist unumgänglich, um die Strukturen aufzubrechen und den Weg für eine Bewertung nach Qualität freizumachen. Aktuell ist die Realität eine fast hundertprozentige Männer-Quote. Wenn 50 Männer abstimmen, wählen sie wieder Männer und kein diverses Gremium. Untersuchungen belegen eindeutig, dass in einem System niemand seinen Platz aufgibt, um eine Person von außerhalb dorthin zu setzen.

Näheres über die "Wortpiratin" Mara Pfeiffer finden Sie auf ihrer Homepage. Zu ihrem Podcast "FRÜF – Frauen reden über Fußball" gelangen Sie hier.