Umsteigerin Mariama Jamanka

"Es finden zwei Welten am selben Ort statt"

02.11.2023

Mariama Jamanka, 33, wurde 2018 in Pyeongchang Olympiasiegerin im Zweierbob und vier Jahre später Olympia-Zweite in Peking. Nach der Saison 2022 beendete die gebürtige Berlinerin ihre aktive Karriere und ist seitdem mit steigender Frequenz crossmedial als Expertin und Kommentatorin in der Wintersportberichterstattung des MDR tätig. Ab 2024 wird die Psychologie-Studentin zusätzlich den Sportblock im ARD-Mittagsmagazin präsentieren. sj-Autorin Katrin Freiburghaus hat mit ihr gesprochen.

 

sportjournalist: Fernsehen und Studium parallel sind ein ordentliches Pensum, haben Sie trotzdem mehr Freizeit?

Mariama Jamanka: Ja, und das ist toll. Ich war gerne Sportlerin und würde es wieder so machen, aber man verpasst viel. Das fängt bei Geburtstagen an, man kann auch nicht einfach so Freunde besuchen und ist quasi den kompletten Winter über nicht da. Ich merke, dass ich bei spontanen Einladungen immer noch den Reflex habe, zu sagen: 'Nein, das geht nicht.' Bis mir auffällt: Doch! Ich muss morgens um acht körperlich nicht mehr so fit sein, dass es ein gutes Training wird, sondern einfach nur in die Uni.

sj: Hatten Sie als schwarze Athletin eine Sonderrolle im deutschen Wintersport – und wollten Sie die überhaupt?

Jamanka: Ich war im Wintersport die erste Schwarze, die für Deutschland im Weltcup gestartet ist. Der Bobsport ist international aber relativ divers, weil viele Athleten – wie ich auch – aus der Leichtathletik kommen. In Teams aus den USA oder England sind Weiße oft sogar in der Unterzahl. Dass das als besonders wahrgenommen wird, wurde mir deshalb eigentlich erst wirklich bewusst, als die Erfolge kamen. (Jamanka-Foto: Norbert Ittermann/MDR)

sj: Können Sie ein Beispiel nennen?

Jamanka: Wir hatten 2018 gerade Olympia-Gold gewonnen, wurden zur Pressekonferenz geschickt, und die erste Frage eines US-amerikanischen Journalisten war: 'Wie ist es, als erste Schwarze bei Olympischen Winterspielen zu gewinnen?' Das hat mich überrumpelt. Ich hatte mir darüber nie Gedanken gemacht. Es wird seitdem aber zunehmend zum Thema. Das ist gut, obwohl ich nie den Anspruch hatte, Vorreiterin für irgendwas zu sein. Aber ich weiß von Sportlern aus anderen Sportarten mit ganz anderen Erfahrungen. Mir ist klar, dass es mit mir eine Möglichkeit gibt, Wintersport im Fernsehen diverser zu gestalten, weil Repräsentation wichtig ist. Aber ich möchte nicht, dass das meine Arbeit definiert. Ich war in erster Linie Sportlerin. Dadurch bringe ich Impulse und Themen mit, die andere vielleicht nicht haben.

sj: Die Bob-Welt ist klein – wie fühlt es sich an, ehemalige Kollegen zu interviewen?

Jamanka: Es war schön, aber auch merkwürdig, Leute im Fernsehen zu befragen, mit denen man abends Karten gespielt hat. Grundsätzlich erlebe ich, dass Sportler spüren und sehr schätzen, wenn das Gegenüber ein grundsätzliches Verständnis von Leistungssport hat. Es geht aber nicht nur um das Zwischenmenschliche. Man muss auch eine Brücke zwischen dem schlagen, was man als Insider über einen Sport weiß, und dem, was für Zuschauer verständlich und interessant ist.

sj: Gibt es Dinge, die Sie überrascht haben?

Jamanka: Als Sportlerin ist man es gewöhnt, direkt nach dem Wettkampf vor die Kamera gestellt zu werden, und dann ist man in 30 Sekunden live. Je nachdem, wie es lief, freut oder ärgert einen das, aber dann geht es weiter mit Sport. Die andere Seite kennenzulernen, war spannend: die Vorbereitung, den Aufwand, die technischen Abläufe – alles, was man nicht sieht. Als Sportler hat man keine Ahnung, wie viele Menschen daran beteiligt sind. Ich merke jetzt: Bei so einem Weltcup finden zwei Welten am selben Ort statt.

sj: Was ist der größte Unterschied zwischen Fernseh- und Athleten-Alltag?

Jamanka: Früher musste man auf den Punkt X optimal vorbereitet und bereit für den Wettkampf sein. Man war zwar auch da Teil eines Teams, aber die Welt drehte sich hauptsächlich um einen selbst. Auch auf der Strecke hatte ich viel selbst in der Hand. Als Sportjournalist dreht sich die Welt um alle anderen. Das sind den ganzen Tag Gespräche mit Technik, Redaktion, Interviewpartnern. Das Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein, ist so viel stärker ausgeprägt.

Katrin Freiburghaus ist freie Autorin und Journalistin. Sie arbeitet von München aus unter anderem für die Süddeutsche Zeitung. Hier geht es zu ihrem Xing-Profil.