Frauen im Sportjournalismus

"Es hat mich erstaunt, dass wir da noch nicht weiter sind"

02.04.2024

Alessa Seuwen hat sich mit der Situation von Frauen im Sportjournalismus befasst. Katrin Freiburghaus sprach mit ihr über ein vermeintlich überholtes Thema – und sehr unterschiedliche Perspektiven.

 

Alessa Seuwen, 29, war Mediengestalterin, ehe sie an der Hochschule Ansbach Ressortjournalismus mit Schwerpunkt Sport studierte und ihre Bachelor-Arbeit Frauen im Sportjournalismus und der Frage widmete, warum sie in Redaktionen unterrepräsentiert waren und sind. Während ihres Studiums war sie als Praktikantin und anschließend als Werkstudentin beim SWR tätig. 

Sportjournalist: Frau Seuwen, Sie haben in Ihrer Arbeit Redakteurinnen und Redakteure unter anderem dazu befragt, ob es in ihrem Arbeitsumfeld geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Ein gutes Drittel der Befragten waren Männer. Waren sich Kollegen und Kolleginnen einig?

Alessa Seuwen: Nein. Ich habe eher den Eindruck gewonnen, dass sie die Situation sehr verschieden bewerten. Wenn man die Aussagen der männlichen und weiblichen Antwortenden vergleicht, entsteht ein relativ eindeutiges Bild, in dem Männer die Gleichberechtigung deutlich weiter fortgeschritten wähnen, als sie es nach den Erfahrungsberichten der Frauen tatsächlich ist.

sj:  Wo ging die Einschätzung besonders weit auseinander?

Seuwen: Bei der Frage, warum sich Frauen seltener beruflich in Richtung Sportjournalismus orientieren, gaben Männer als Vermutung häufiger Klassiker wie Familie oder weniger Interesse an Sport an. Die weiblichen Befragten führten strukturelle Ursachen wie fehlende Netzwerke und Vorbilder sowie unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe an. Ein ebenfalls mehrfach genannter Grund war, dass Fehler von Sportjournalistinnen kritischer gesehen werden als bei männlichen Kollegen. Auch die Notwendigkeit, die eigene Kompetenz im Kollegenkreis immer wieder beweisen zu müssen, wurde genannt. Es ist tatsächlich immer noch zu hören, dass Frauen nur wegen der Quote in der Redaktion seien – es hat mich erstaunt, dass wir da noch nicht weiter sind.

sj: Gab es bei Ihrer Umfrage Ergebnisse, die Sie überrascht haben?

Seuwen: Ich bin eigentlich vor dem Thema gewarnt worden, weil es keines mehr sei. Spätestens beim Ergebnis zu sexueller Belästigung im Arbeitsumfeld zeigte sich dann aber, dass das nicht stimmt. Knapp 70 Prozent der Befragten gaben an, dass das in Sportredaktionen und/oder im Arbeitsumfeld vorkommt. Da hatte ich auf deutlich weniger gehofft. (Seuwen-Foto: privat)

sj: Sie haben für einen Filmbeitrag drei Kolleginnen aus drei Generationen befragt. Hat sich in Bezug auf Gleichberechtigung etwas verändert?

Seuwen: Ich denke schon. Die Befragte aus der ältesten Generation war noch eher der Meinung, man müsse über sexistische Sprüche hinwegsehen, das nahm man einfach als normal hin. Mittlerweile ist das Bewusstsein dafür, was Belästigung und eben nicht in Ordnung ist, größer. Die stärkste Entwicklung sehe ich nicht nur in diesem Bereich bei den Antworten der Frauen. Denn es gibt das alles nach wie vor, aber Frauen lassen es sich mittlerweile weniger selbstverständlich gefallen.

sj: Wie waren Ihre eigenen Erfahrungen?

Seuwen: Ich habe mit vorher wenig Gedanken über das Arbeitsumfeld gemacht, weil ich einfach unbedingt ins Sportressort wollte. Wenn ich mich mit dem Thema Frauen im Sportjournalismus vorher befasst hätte, wäre das für mich aber sehr wahrscheinlich abschreckend gewesen, weil es unverändert eine Männer-Domäne ist, in der sich Frauen anders beweisen müssen. Ich habe persönlich keine Einschränkungen erlebt, vielleicht war mein Vorteil aber auch, dass ich keine Lust auf Fußball hatte. Was in privaten Gesprächen mit Kolleginnen sehr deutlich wurde, ist die Bedeutung und aktive Unterstützung anderer Frauen – vor allem zu Beginn der Laufbahn.

Mit Alessa Seuwen sprach Katrin Freiburghaus. Sie arbeitet von München aus als Freelancerin, unter anderem für die Süddeutsche Zeitung. Hier geht es zu ihrem Xing-Profil.