Interview mit Sportmedien-Experte Thomas Horky

„Es ist ein Drahtseilakt“

03.04.2023

Prof. Dr. Thomas Horky ist Experte, wenn es um die Inszenierung von Sport in den Medien geht. Das VDS-Mitglied unterrichtet seit 2009 an der Hochschule Macromedia in Hamburg und ist Mitherausgeber der Buchreihe „Sportkommunikation“. sportjournalist-Autor Stefan Freye sprach mit Horky über den Streaming-Sportsender Dyn, der ab 23. August an den Start gehen wird – ohne Fußball.

 

Am 23. August startet der neue Sportsender Dyn (sprich: Dein) – mit der Übertragung des Handball-Supercups. Das Projekt des ehemaligen DFL-Chefs Christian Seifert und von Axel Springer setzt auf die Sportarten Basketball, Handball, Hockey, Tischtennis und Volleyball. Fußball fehlt im Portfolio. „Dyn wird mehr sein als ein Sportsender“, sagt Gründer und Gesellschafter Seifert. „Herzstück“ des Konzepts soll die „Partnerschaft mit dem Sport und für den Sport“ sein. Weil Dyn mehr frei empfangbare Inhalte bereitstelle „als jemals zuvor, steigern wir die Sichtbarkeit der Ligen und Wettbewerbe deutlich“. Außerdem, verspricht Seifert, unterstütze Dyn „durch die vereinbarten Erlöse aus den Medienrechten, mehr Reichweite für die Ligen, Clubs und ihre Sponsoren (…) nachhaltiges strukturelles Wachstum im Sport“.

sportjournalist: Herr Horky, im August wird das gemeinsame Projekt von Ex-DFL-Chef Christian Seifert und Axel Springer verfügbar sein. Sind Sie gespannt auf Dyn?

Thomas Horky: Ich bin sehr gespannt. Auch weil es ein neues Projekt ist und in eine Lücke stößt, die bisher so nicht gefüllt wurde. Es ist auf jeden Fall ein spannendes Projekt. Ob es erfolgreich sein wird, vermag ich nicht zu sagen. Aber Dyn dürfte gut aufgestellt sein: Christian Seifert ist ein absoluter Kenner des Sports, und er hat in Springer einen starken Partner an seiner Seite. Sie haben sich ja auch schon eine Menge Senderechte gesichert (Horky-Foto: Hochschule Macromedia).

sj: Neben den ersten Ligen im Handball, Basketball, Volleyball und Tischtennis wurde zuletzt auch die Zusammenarbeit mit den Hockeybundesligen vermeldet. Wie groß sind die Chancen, Dyn zu platzieren?

Horky: Es wird sich zeigen, wie sie die Rechte vermarkten können. Denn Dyn ist ja nicht der erste Versuch, andere Portale haben es bisher nie geschafft. Aber warum nicht? Ich würde es mir vor allem für den Sport wünschen.

sj: Dyn verfolgt nach Aussage seiner Protagonisten einen ganzheitlichen Ansatz, also neben den Live-Übertragungen vor allem eine umfassende Social-Media-Präsenz der Sportarten. Könnte darin das Erfolgsrezept bestehen?

Horky: Ich bin sehr gespannt, was man bei  Dyn unter diesem Ansatz versteht. Wir wissen aus der Forschung, dass die Seher sehr interessiert sind am Live-Event und das Interesse schon bei Vor- und Nachberichten sinkt. Bereits jetzt gibt es ja auch Inhalte von einzelnen Verbänden. Interessant ist das Sendekonzept von Dyn. Was läuft dort zum Beispiel am Montagvormittag? Sobald man auf Inhalte abseits der Live-Berichterstattung setzt, wird es nämlich teuer.

sj: Dyn wird ganz überwiegend mit Remote-Technik arbeiten, also vor Ort lediglich Kameras installierten und die Streaming-Inhalte an zentralen Standorten produzieren. Lässt sich der Sport auf diese Weise verkaufen?

Horky: Das ist, was ich meine. Die Frage ist, wie die Inhalte an den Kunden gebracht werden. Die Remote-Technik lässt sich allenfalls für die Live-Spiele nutzen. Aber auch da sind die Zuschauer an gewisse Standards gewöhnt. Sie muss man produzieren, denn hat man sie nicht, wird es schwierig. Darüber hinaus müssen weitere Inhalte extra produziert werden. Ich kenne aber das Konzept nicht und bin deshalb sehr gespannt, wie sie das auffangen wollen (Foto: Dyn).

sj: Eine Möglichkeit bestünde womöglich darin, Vereine und Verbände in die Produktion einzubinden.

Horky: Es besteht ja grundsätzlich schon mal eine Frage: Ist Live-Berichterstattung eine journalistische Leistung? Im engeren Sinn eher nicht, allenfalls noch die Kommentierung. Aber journalistisch wäre ein solches Vorgehen schon fragwürdig, weil es am Ende eine Selbstberichterstattung ist. Aber ich will das nicht als Kritik verstanden wissen: Dyn ist ein Dienstleister und hat diesen Anspruch gar nicht. Es bleibt aber die Frage, ob ein solches Konzept eine Zukunft hätte oder ob sich die Verbände dann nicht irgendwann ganz selbst produzieren. Dafür gibt es ja allein in den USA genug Beispiele.

sj: Ein Dyn-Abo soll zwischen 12,50 und 14,50 Euro pro Monat kosten. Lässt sich ein Streamingportal mit deutlich über 1500 Live-Spielen pro Saison auf diese Weise finanzieren?

Horky: Das kann ich nicht beurteilen. Ich kenne den Preis der Rechte nicht, weiß aber, dass der Kreis der potenziellen Seher sehr gering ist. Bislang ließ sich ein solches Portal nicht profitabel betreiben, und ich sehe nicht, was sich daran geändert haben sollte. Zumal die Schere zwischen Fußball und dem Rest des Sports durch die Corona-Zeit noch weiter auseinander gegangen ist. Ich finde den Ansatz trotzdem gut und wünsche Dyn alles Gute. Es ist aber ein Drahtseilakt.

sj: Was genau finden Sie denn gut?

Horky: Neu ist, dass Dyn ganz unterschiedliche Sportarten zusammenfasst. Da können sich natürlich Chancen der Kooperation ergeben. Etwa die Abstimmung von Spielzeiten und Ähnliches. Ein gutes Beispiel ist der Wintersport: Es gibt seit geraumer Zeit die Wintersport-Wochenenden mit abgestimmten Zeiten der einzelnen Wettbewerbe. Das war nur möglich, weil sich die beteiligten Verbände auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt hatten. Mit Dyn gibt es nun einen Sender, der diese Abstimmung auch hinbekommen könnte. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt und kann ein großer Vorteil sein (Seifert-Foto: Sven Simon/Frank Hörmann via sampics Photographie/augenklick).

sj: Während die meisten beteiligten Verbände offenbar recht schnell bereit waren, das Angebot von Dyn anzunehmen, hat die Deutsche Eishockey Liga ihre Zusammenarbeit mit Magenta bis 2028 verlängert. Waren Sie überrascht?

Horky: Nicht wirklich. Eishockey und Magenta sind schon lange zusammen und dabei erfolgreich. Es gibt dort offenbar ein gutes Miteinander. Aus meiner Perspektive ist es auch zu begrüßen, dass damit eine gewisse Medienvielfalt bestehen bleibt.

sj: Die Streamingbranche wird sich mit Dyn gleichwohl verändern. In welche Richtung?

Horky: Der Bereich wird natürlich einen Schub bekommen. Die Live-Berichterstattung bewegt sich ja ohnehin seit Jahren weg vom linearen Fernsehen. Die junge Generation nutzt deutlich mehr Streaming, und deshalb liegt dort ganz sicher die Zukunft.

sj: Was bedeutet das für den Sportjournalismus?

Horky: Wie gesagt: Ich trenne den Sportjournalismus von der schlichten Live-Übertragung. Wenn man ein Spiel ganz ohne Einordnung sendet, dann kann man das nicht als Sportjournalismus bezeichnen. Insofern hat das auch erst mal keinen Einfluss. Im größeren Maßstab sieht das anders aus: Wenn Dyn funktioniert, dann ist damit eine Chance für die kleineren Sportarten und den Sport im Allgemeinen verbunden. Davon würde die Vielfalt profitieren, der Sport würde mehr Öffentlichkeit erfahren und damit auch Interesse generieren. Darauf würden dann auch die Redaktionen reagieren und mehr Angebote abseits des Fußballs schaffen können. 

Mit Thomas Horky sprach Stefan Freye. Er ist 1. Vorsitzender des Vereins Bremer Sportjournalisten. Freye arbeitet als Freelancer von der Hansestadt aus. Hier geht es zu seinem LinkedIn-Account.