Umsteiger Matthias Becker

„Ich wollte sehen, ob ich etwas anderes kann“

01.12.2022

Matthias Becker hat bei Sport1 alles erlebt, ist vom Volontär zum stellvertretenden Digital-Chef aufgestiegen. Jetzt arbeitet er für die SZ. Im sj-Interview der Reihe „Einsteiger, Aussteiger, Umsteiger“ mit Katrin Freiburghaus berichtet er, was er dabei über sich lernte und was ihn zum Umstieg motivierte.

 

Matthias Becker, Jahrgang 1980, studierte in Mainz Politikwissenschaft und Publizistik. Er volontierte 2007 beim Onlineportal Sport1. Ab 2016 durchlief er dort vom Ressortleiter bis zum stellvertretenden Chefredakteur Digital verschiedene Führungspositionen, ehe er 2021 zu muenchen.de wechselte. Seit November 2022 ist er Homepage-Chef bei der Süddeutschen Zeitung.

sportjournalist: Herr Becker, Sie sind nach 13 Jahren bei Sport1 aus dem Sportressort ausgestiegen. Bei der SZ ist dieser nur noch ein Thema unter vielen. Fehlt er Ihnen nicht?

Matthias Becker: Ehrlich gesagt habe ich ihn dadurch als Hobby zurückbekommen. Ich habe als Journalist nie Sport geschaut, ohne zu denken: „Welche Geschichte steckt da für uns drin? Wen muss ich fragen? Bis wann muss ich den angerufen haben?“. Ich habe mir Wettbewerbe angeschaut, die ich gar nicht sehen wollte, damit ich am nächsten Tag gut vorbereitet war, und dafür viele Sachen nicht, die mich viel mehr interessiert hätten. Privat versuche ich, meinen Kindern jetzt so viele verschiedene Sportarten wie möglich zu zeigen und näherzubringen.

sj: Sie sind der Onlinesparte treu geblieben, die zu Beginn Ihrer Laufbahn noch nicht überall den besten Ruf genoss.

Becker: Das stimmt. Als ich Volontär war, war Online noch so ein bisschen das ungeliebte Kind. Aber ich bin damit aufgewachsen, weshalb es für mich nicht entscheidend war, ob meine Arbeit gedruckt oder im Netz erscheint. Ich wollte ins Stadion, wollte mich in vielen Dingen ausprobieren – diese Chance habe ich bei Sport1 immer bekommen. Ich habe das meistens hingekriegt, aber ich habe auch gemerkt, dass es andere gab, die es besser konnten. Das Reporter-Dasein gehört nicht zu meinen größten Stärken. Die – und auch meine Vorlieben in diesem Beruf – liegen woanders (Foto WM-Reporter*innen: GES-Sportfoto/Marvin Ibo Güngör/augenklick).

sj: Wo genau?

Becker: Ich mag die Stelle, an der alles zusammenläuft, das Planen: Das kommt da hin, das dort hin, diese Geschichte brauchen wir noch, diese nicht. Das war eigentlich schon immer das, was mich gereizt hat. Als ich gesehen habe, dass sich sogar Menschen darüber freuen, wenn jemand das gut macht, weil sie es selbst nicht machen wollen, hat mich das darin bestärkt, mich weiter in diese Richtung zu orientieren.

sj:  Hatten Sie als Kind nie den Traum vom Radiokommentator?

Becker: Doch, aber diese Phase war wirklich sehr kurz. Ich hatte sogar als Kind schon ein Computerspiel, in dem man eine Zeitung zusammenstellen musste. Das habe ich ähnlich intensiv gespielt wie den Bundesliga-Manager. Meine größte Freude bei Sport1 war immer, wenn wir morgens eine Idee für ein großes Thema hatten, die umgesetzt haben und ich auf dem Heimweg an den Zahlen gesehen habe, dass funktionierte, wie wir es angepackt hatten.

sj: Warum zog es Sie trotzdem von Sport1 weg?

Becker: Es gab keinen speziellen Anlass. Ich habe dort als Praktikant angefangen und wahrscheinlich jeden Dienst, den es gibt, irgendwann mal gemacht – von US-Sport morgens um fünf bis zum CvD beim WM-Finale 2014. Neben familiären Gründen war es dann auch so, dass ich in meinem Berufsleben noch mal etwas anderes sehen wollte. Auch um zu sehen, ob ich etwas anderes kann.

sj: Wie schwer fällt die Umstellung auf ein so viel breiteres Themenspektrum?

Becker: Man muss mehr im Blick behalten, aber die Reaktion auf eine News-Situation ist ähnlich wie beim Sport. Was die Themen betrifft, habe ich den Vorteil, dass mich fast alles auch schon vorher interessiert hat. Außerdem bin ich seit bald 25 Jahren SZ-Leser. Am liebsten würde ich alle Texte, die auf der Seite stehen, immer sofort von Anfang bis Ende lesen. Dafür reicht aufgrund der Menge der Inhalte während des Dienstes die Zeit aber leider nicht.

Mit Matthias Becker sprach Katrin Freiburghaus. Sie arbeitet von München aus als Freelancerin, unter anderem für Süddeutsche Zeitung und SID. Hier geht es zu ihrem Xing-Profil.