Paderborn-Coach Lukas Kwasniok

„Kein gutes Zeichen, mit einem Journalisten-Feindbild herumzulaufen“

06.03.2023

Der Paderborner Zweitliga-Coach Lukas Kwasniok ist alles andere als aalglatt, das beweist er auch in Interviews. sportjournalist-Autor Christoph Ruf schildert er seine Sicht auf unsere Branche, seinen Lernprozess und verrät, wann er das „Showbusiness“ Profifußball verlassen würde.

 

Lukas Kwasniok, Jahrgang 1981, gilt als der etwas andere Fußball-Trainer. Das liegt nicht nur, aber auch an der Art, wie er Interviews führt. Im Gespräch mit Christoph Ruf spricht der Coach des SC Paderborn über Journalist:innen, „geistigen Dünnpfiff“ von Experten und erklärt, wie er verhindert, zur „Floskel-Schleuder“ zu werden.

sportjournalist: Herr Kwasniok, Sie haben kürzlich gesagt: „Wenn ich merke, dass ich aalglatt werde, höre ich vorher auf.“ Wie haben Sie das gemeint?

Lukas Kwasniok: Wenn ich in einer Mannschaftsbesprechung keinen Witz mehr machen darf, wenn ich irgendwann in der Coaching-Zone nur noch sitzen darf. Oder wenn ich nur noch sagen darf, was der Pressesprecher mir sagt, wenn wir Trainer uns alle zu konform benehmen müssen - dann hätte ich gar kein Problem damit, ein solches Showbusiness wieder zu verlassen. Ganz einfach, weil die Lebensqualität mit der inneren Zufriedenheit zu tun hat. Man wird unauthentisch, wenn man glaubt, dass man grundsätzliche Charakterzüge in der Öffentlichkeit kaschieren muss.

sj: Und all das erleben Sie in Ihrem Alltag?

Kwasniok: Um Himmels Willen, sonst säße ich jetzt nicht hier. Aber ich kenne alles, was ich aufgezählt habe, von Gesprächen mit Kollegen. Und auch ich rede nicht mehr so unbefangen wie als Jugendtrainer. Ich überlege länger, was ich wie sage, wie ich formuliere, ohne weniger von dem zu sagen, was ich sagen will. Das ist aber auch gut so.

sj: Profitrainer müssen unmittelbar nach dem Spiel verschiedenen Kanälen x-mal sehr ähnliche Fragen beantworten. Wird man da nicht zwangsläufig zur Floskel-Schleuder?

Kwasniok: Wenn du nicht einigermaßen wortgewandt bist oder dir alles an die Nieren geht, musst du dir einen neuen Job suchen. Der Umgang mit Niederlagen gehört zu den größten Herausforderungen in einem Trainerjob; gegenüber Fans, Offiziellen, Mannschaft – aber auch Journalisten. Das konnte ich früher gar nicht, habe aber hoffentlich dazugelernt. Deswegen spreche ich nach dem Spiel auch nie zur Mannschaft. Ich würde in so einem Moment Dinge sagen, die mir nachher leidtun. Und da ich immer sehr viel trinke während des Spiels, muss ich sowieso immer erst mal auf Toilette (Kwasniok-Foto: GES-Sportfoto/Marvin Ibo Güngör/augenklick).

sj: Sind Sie ein misstrauischer Mensch?

Kwasniok: Nein! Und ich weiß, worauf Sie hinauswollen: Natürlich gibt es Kollegen, die hinter jedem Baum nicht nur einen, sondern zwei Geister sehen. Und die geben dann Interviews, bei denen auch ich mich frage, ob die nicht anders können oder nicht anders wollen. Bei denen, die ich da gerade vor Augen habe, spielen übrigens auch die Mannschaften angstbesetzt. Ich glaube, es ist kein gutes Zeichen, wenn Trainer mit einem Journalisten-Feindbild herumlaufen. In dem Moment, in dem man sich bewusst ist, was die Aufgabe des Gegenübers ist, kann man sich leichter in den anderen hineinversetzen.

sj: Wie sehen das Ihr Berater und Ihr Pressesprecher?

Kwasniok: Unser Pressesprecher brieft mich gar nicht. Ich gehöre aber wahrscheinlich schon zu den Trainern, bei denen man sich Sorgen machen muss, dass ich mal einen raushaue. So viel sollte man dann auch in der Birne haben, dass man sich halbwegs klar ausdrückt, ohne irgendjemanden zu beleidigen oder ausfallend zu werden. Aber so schlimm ist es doch nicht, oder?

sj: Zumindest haben Sie noch nie einen Präsidenten beleidigt.

Kwasniok: Doch, aber nur am Telefon.

sj: Ihr Berliner Kollege Sandro Schwarz sagte hier mal, er würde liebend gerne ausführlich über Fußball reden, habe aber oft den Eindruck, das sei von der anderen Seite gar nicht gewünscht. Wie sehen Sie das?

Kwasniok: Natürlich wünscht man sich möglichst viele inhaltliche Fragen, aber ist das euer Job? Wir haben ja auch nicht Germanistik studiert und stottern uns manchmal einen zurecht. Die Leute wollen doch auch nicht die Detailanalyse zu Dreier- oder Viererkette lesen oder hören, sondern eine leichte Erklärung, warum Mannschaft A verloren hat. Da ins Detail zu gehen ist nicht Aufgabe des Journalisten. Ich ärgere mich eher über die vermeintlichen Experten, die oft so oberflächlich reden, als hätten sie noch nie einen Fußball aus der Nähe gesehen.

sj: Sie haben mal den Kommentar von Thomas Broich zum Pokalspiel der von Ihnen trainierten Saarbrücker als „geistigen Dünnpfiff“ bezeichnet.

Kwasniok: Du machst dir seit vier Wochen Gedanken, wie du als Viertligist gegen eine Bundesliga-Topmannschaft spielst, und dann kommt ein Ex-Spieler, dem du im Vorgespräch noch ganz viel erzählt hast, und gibt öffentlich ganz schlaue Ratschläge. Bei einem Journalisten, der sich im Detail nicht damit beschäftigt, ist so was für mich in Ordnung. Bei einem, der es besser wissen müsste, nicht.

Mit Lukas Kwasniok sprach Christoph Ruf. Er arbeitet als Freelancer von Karlsruhe aus. Hier geht es zu Rufs Website.