Umsteiger Manuel Schwarz

„Reisen mit dem Papst ist wie ein Ausflug ins Schullandheim“

01.09.2023

Manuel Schwarz, 40, volontierte bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa) und wurde anschließend als  Sportredakteur übernommen. Zunächst berichtete er von Berlin aus unter anderem über Eishockey, später in München vor allem über Ski alpin und Fußball. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Rom als Regionalbüroleiter für Südwesteuropa sowie Korrespondent für Italien, Vatikan und Malta kehrte der gebürtige Südtiroler jetzt wieder in die Münchner Sportredaktion der dpa zurück. Mit VDS-Vizepräsidentin Elisabeth Schlammerl spricht er über den besonderen Kosmos Vatikan und die Herausforderung, in Italien an Informationen zu kommen.

 

sportjournalist: Herr Schwarz, Sie berichten nun wieder über Fußball und Skirennen statt über den Papst und italienische Politik. Ist das eine Rückkehr oder ein Neuanfang?

Manuel Schwarz: Eigentlich beides. Es ist eine Rückkehr, denn es war ja von Anfang an geplant, dass ich wieder in die Sportredaktion in München gehe. Andererseits ist es mit all den Eindrücken, die ich in zwei Jahren gewonnen habe, auch eine Art Neuanfang.

sj: Wie groß war denn die Umstellung vom Sportberichterstatter zu einem Auslandskorrespondenten, der über alles in einem Land berichtet?

Schwarz: Groß, weil es im Sport viel mehr Regelmäßigkeiten gibt. Da gibt es zumeist feststehende Termine von Fußballspielen, Skirennen oder Tennisturnieren. Man kennt die Abläufe, ist damit vertraut und irgendwann souverän in seinem Job. Als Korrespondent in einem anderen Land gibt es viel mehr unerwartete Ereignisse – in allen Ressorts, ich war ja für Politik, Wirtschaft, Kultur und natürlich auch Sport in Italien zuständig. Am Anfang war das anstrengend, aber so geht es wohl jedem Auslandsreporter. Zugleich war es aber sehr inspirierend, immer wieder Neues zu erleben.

sj: Was war für Sie das Motiv, diesen Job in Italien anzunehmen?

Schwarz: Es war eine tolle Gelegenheit, die sich mir bot. Und es hat gepasst wie die Faust aufs Auge, auch für meine Familie. Als Südtiroler bin ich ja italienischer Staatsbürger, und da war es auch bürokratisch für mich einfacher. Ich hatte keine Sprachbarrieren, konnte also von 0 auf 100 loslegen. Und ich hatte mir natürlich auch erhofft, einen neuen Input zu bekommen, um dann bei meiner Rückkehr ins Sportressort mit neuen Eindrücken und neuer Motivation loslegen zu können.

sj: Welche Eindrücke sind das, die Ihre Arbeit als Sportredakteur beeinflussen können?

Schwarz: Ich habe die Chance gehabt, Sachen zu erleben oder zu machen, sportfremd natürlich, die ich mir so davor in meinem Job nie hätte vorstellen können. Reisen mit dem Papst zum Beispiel, Regierungskrisen oder große Naturkatastrophen sind Erlebnisse, die einen prägen und beeindrucken. Man schaut jetzt vielleicht anders auf das, was mich nun wieder als Sportredakteur erwartet, man gewichtet anders. Ein Fußballspiel etwa, das ist mir jetzt noch bewusster, ist im Vergleich zu so gravierenden Ereignissen wie zum Beispiel die Überschwemmungen in der Emilia-Romagna mit vielen Toten im Mai, doch fast unbedeutend. Sportliche Niederlagen sind keine Katastrophen. (Schwarz-Foto: dpa/Sven Hoppe)

sj: Was war die größte Herausforderung?

Schwarz: In allen Ressorts so schnell wie möglich fit zu sein. Sei es in der Politik mit dem ganzen Chaos, das ja in Italien praktisch auf der Tagesordnung steht, oder im Vatikan, der eine ganz eigene verrückte Welt ist. Daneben gab es auch wirtschaftliche und kulturelle Themen. Es war eine Herausforderung, so schnell wie möglich herauszufinden, wie man an Informationen bei schweren Unfällen, bei Umweltkatastrophen oder sonstigen Ereignissen kommt. Wer was sagen kann oder darf, ist in Italien teilweise viel weniger klar geregelt als in Deutschland. Da musst du oft einen halben Tag lang rumforschen, bis du überhaupt eine Person findest, eine Telefonnummer herausbekommst, um dir etwas bestätigen lassen zu können.

sj: Ich nehme auch an, dass der Umgang mit dem Papst etwas anders ist als mit Thomas Dreßen nach einem Abfahrtsrennen am Zaun?

Schwarz: Papstberichterstattung ist generell schwierig für jemanden, der neu dazukommt. Es gibt Kollegen, die das seit 30, 40 Jahren machen und dementsprechende Kontakte haben. Und vermutlich braucht man auch so lange, um diesen Kosmos komplett zu verstehen. Es gibt auch im Vatikan eine Pressestelle, die du anrufen kannst. Allerdings ist die dort noch weniger auskunftsfreudig als so manche Pressestelle von Sportverbänden oder  -vereinen. Aber unterm Strich habe ich auch mit Papst Franziskus schon geplaudert wie mit Thomas Dreßen.

sj: Erzählen Sie mal von der Reise mit dem Papst nach Afrika im vergangenen Winter.

Schwarz: Bei Reisen mit dem Papst ist alles durchorganisiert, minutiös, auch, wo man wann zu stehen hat. Es hat ein bisschen was von einem Ausflug ins Schullandheim. Für die 70, 80 Presseleute, die auf der Reise dabei waren, gab es zwei Betreuer. Aus der Bubble mal rauszukommen, war schwierig. Gerade auf jener Reise aber habe ich Dinge gesehen, gehört und erlebt, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde: sowohl Menschen, die von unfassbarstem Leid und Gräueltaten berichteten, als auch eine Euphorie und eine Freude bei den Leuten, weil der Papst zu ihnen zu Besuch kommt. Es war in jeder Hinsicht extrem. Und wenn morgens in der Hotellobby alle Pressebegleiter der Reihe nach aufgerufen wurden, kam ich mir dennoch vor wie auf Klassenfahrt.

sj: Als Agenturjournalist müssen Sie ja ständig Meldungen und zwischendurch längere Texte absetzen. Bleibt dafür noch Zeit bei so einem streng geregelten Ablaufplan?

Schwarz: Um den Bogen zu spannen: Da hat mir meine Arbeit im Sportressort sehr geholfen. Ich bin es ja gewohnt, im Stadion, aus der Mixed Zone, vom Skirennen, notfalls von der Streckenbesichtigung mit dem Handy eine Meldung zu schreiben oder mit dem Laptop schnell irgendwo über einen Hotspot reinzugehen und einen Text zu schicken. So habe ich das dann auch auf einer holprigen Straße in einem Vorort von Kinshasa oder auf der Wiese des Präsidentenpalastes von Juba gemacht.

sj: Auslandskorrespondent zu sein, heißt auch, sich sehr oft erst einmal auf Sekundärquellen stützen zu müssen...

Schwarz: Es wäre vermessen zu meinen, dass man als Korrespondent einer ausländischen Agentur immer alles zuerst hat. Ich musste mir sehr schnell ein Netzwerk aufbauen an Medien, von denen man weiß, dass sie in einer Region die besten Quellen sind. Und dann geht es darum, die Nachrichten zu verifizieren. Das ist in Italien nicht so einfach, weil da oft sehr übertrieben wird. Wir hatten einmal den Fall, dass sogar der Vize-Regierungschef bei einer Katastrophe irgendeine Totenzahl genannt hat, die, wie sich dann herausgestellt hat, einfach nicht gestimmt hat.

sj: Auf was freuen Sie sich in Ihrem neuen alten Job am meisten?

Schwarz: Dass ich jetzt wieder das mache, was von Anfang an mein Traumjob war. Ich habe auch in Rom das Sportgeschehen immer verfolgt. Es gab viele Sonntage, an denen ich Dienst im Büro hatte und nebenbei auf irgendeinem meiner Bildschirme ein Skirennen lief.