Kolumne „Hardt und herzlich“

Autsch!

01.08.2023

Unser Kolumnist Andreas Hardt ist beim Zappen auf eine neue „Sportart“ gestoßen. Und fragt sich allen Ernstes: Was soll das? 

 

Neulich beim schlaflosen Zappen durchs TV-Programm in einer belanglosen Samstagnacht: Stehen sich zwei prekär aussehende Hünen an einer Tonne gegenüber. Einer misst mit seinem rechten Arm den Abstand zur Wange des anderen aus, taxiert einmal, zweimal – und knallt seinem gegenüber dann mit Vollpower eine Ohrfeige an die Backe. Das Opfer sinkt benommen zu Boden – und in einem Hamburger Wohnzimmer herrscht eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Neugierde, Entsetzen und Unverständnis. Was soll das?

Das Unverständnis wurde noch größer, weil der angezappte Sender Sport1 war. Gut, von den im Namen versprochenen Inhalten ist das Programm ja oft genug entfernt. Zwischen amerikanischen Trödelhändlern, Autoaufmotzern, Pfandleihern und samstagnachts den Sexy Clips für den einsamen Herren wirkt der Doppelpass inzwischen deplaziert, echte Sportberichterstattung muss man suchen. Sport1 ist längst ein großer Etikettenschwindel und eine enttäuschte Hoffnung.

Nun also Ohrfeigen. Slap Fights nennt sich der Mist, der bereits seit Dezember auf dem Sender präsentiert wird und den die PR-Abteilung der Ismaninger in einer Pressemitteilung als „aufstrebende Kampfsportart“ verklärt. Na, dann kann ihn ein selbst ernannter Sportsender ja ohne Hemmungen zeigen. Und schön, dass dabei eine Schrift eingeblendet wird, dieses gewalttätige Treiben auf keinen Fall nachzumachen. Das hat wahrscheinlich die Rechtsabteilung empfohlen. (Hardt-Foto: privat)

Natürlich kommt diese „Trendsportart“ aus den USA, wo der (Sport-)Unternehmer Dana White eine Untergrundgaudi gewalttätiger Schläger zu einem Event names Power Slap aufgemotzt hat. Was kommt als nächstes? Bareknuckle-Boxen? Oder gibt es das auch schon? Vielleicht Pankration, der Allkampf aus der Antike. Alles war erlaubt, mit Ausnahme des Beißens und des Grabens, wozu auch das Augenausstechen mit dem Finger gehört. Man könnte das kulturhistorisch begründen, als sportliche Geschichtsstunde sozusagen.

Dana White weiß schließlich, wie es geht mit Gewaltphantasien und der Faszination von Blut und Brutalität Geschäfte zu machen. Seine höchst erfolgreichen Ultimate-Fighting-Käfig-Kämpfe funktionieren ja ähnlich.

Nun also Ohrfeigen. Auf den gleichzeitig intensiv bespielten sozialen Netzwerken generieren die Clips von schwer k.o. gegangenen Opfern bedeutende Reichweiten. Soziologen werden erklären können, ob das alles auch eine erhöhte Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft insgesamt widerspiegelt. Könnte sein.

Dass dieser „Sport“ natürlich hochgefährlich ist, ist ja klar. Diverse Neurologen warnen vor den Folgen. 2021 verstarb der Pole Artur Walczak nach einem Slap-Fighting-Anlass. Jeder Schlag kann einer zu viel sein. Über die Spätfolgen von Gehirnerschütterungen oder sogar Kopfbällen wird immer mehr bekannt. Welche verheerende Wirkung zu viele Kopftreffer beim Boxern haben können, weiß man längst.

Aber hey Sport1, macht mal schön weiter so. Irgendwer wird schon schauen. Aber hört bitte auf, die Bezeichnung Sport für den ganzen Müll zu missbrauchen.

Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne „Hardt und herzlich“ für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.