Kolumne „Ansichtssache“

Benchmark mit Sohlenspieler

19.01.2023

Außergewöhnliche Kreationen? Oder schlichtweg nerviges Denglisch? sportjournalist.de-Kolumnist Wolfgang Uhrig stellt sprachliche Ver(w)irrungen fest – und findet es fast schon „cringe“.

 

Und jetzt also „Sohlenspieler“. Serge Gnabry hat ihn erkannt, in Eric Maxim Choupo-Moting nach dem Bundesligaspiel der Bayern gegen Freiburg. Hier war dieser Choupo-Moting für den Fernsehexperten Sandro Wagner ein „Wandspieler“, Trainer Julian Nagelsmann nannte ihn „Zielspieler“. Findungen, bei denen der sonst rhetorisch eher weniger auffällige Hasan Salihamidzic nicht zurückstehen wollte: Der Sportvorstand bezeichnete das 5:0 seiner Bayern gegen Freiburg als „Benchmark“.

Was und wie auch immer: Es überrascht aufs Neue, was die Mengengelage zwischen Sprache und Sport zum Hören und zum Lesen hervorbringt. Da meldet sich selbst der als Sprachästhet bekannte Marcel Reif mit außergewöhnlichen Wendungen zu Wort. Er appelliert gern, dass jetzt alle „all in gehen müssen“. Oder er lobt den Bayern-Torwart als „besten Neuer ever“. Und nochmal zu Sandro Wagner: Bei seinen Kommentaren hetzen die Spieler immer „von Box to Box“ (Uhrig-Foto: Maria Mühlberger).

Wenn nichts mehr geht, erinnern Vereine ihre Trainer an eine „To-do-list“, dass „die Basics mal wieder stimmen müssten“, um eine „Performance auf den Platz zu bringen“. Bei Union Berlin „resultiert Momentum und Selbstvertrauen“ aus der Bundesliga-Tabellenführung: Die Reihe von Freistößen im Umgang mit der Muttersprache ließe sich endlos fortsetzen.

Unsere großen Deutsch-Meister wie Goethe oder Schiller drehen sich im Grabe, solche Formulierungen hatten sie „nicht auf dem Schirm“. Vielleicht würden sie heute diese Sprache mit dem neudeutschen „cringe“ umschreiben, dem Jugendwort des Jahres 2021. Das bedeutet, sich fremdzuschämen.

Die Kolumne „Ansichtssache“ schreibt Wolfgang Uhrig für den Verein Münchner Sportjournalisten. Wir danken dem Autoren und den VMS-Kolleg*innen dafür, den Text nutzen zu dürfen.