Kolumne "Hardt und herzlich"

Die Grenze ist erreicht

02.10.2023

Nie war mehr Sport im TV, aber nie war das Angebot so unübersichtlich wie heute. Unser Autor Andreas Hardt bemüht sich um einen Überblick.

 

Kennen Sie noch die Gebrüder Pospisil? Jan und Jindrich. Na? Klar, die kennt jeder, der in den 1970er-Jahren im Fernsehen die Sportberichterstattung verfolgt hat. Die beiden Tschechen waren ein fester Bestandteil des Programms, 20-mal Radballweltmeister. Gab es damals zu sehen. Und beim "Galopper des Jahres" denken Ältere an Acatenango ­– und nicht an eine doch sehr gute Bierkneipe im Hamburger Schanzenviertel. Weil damals der Sport in seiner gesamten Breite öffentlich-rechtlich gezeigt wurde. Das war toll. Und heute?

Die Klage wird oft geführt: Fußball, Fußball, Fußball. Und ja, da ist auch etwas dran. Warum ARD und ZDF DFB-Pokalspiele der 1. Runde wie Münster gegen Bayern live zeigen und entsprechend aufwendig produzieren, erschließt sich auf Anhieb nicht. Halt weil sie es können, weil sie es eingekauft haben. Und weil knapp fünf Millionen dann doch wieder eingeschaltet haben. Nun gut.

Doch der Eindruck, dass insgesamt das Angebot an  Sportübertragungen im Fernsehen (oder Stream) weniger geworden ist, der täuscht. Das Gegenteil ist der Fall. Es fängt ja mit Bundesligafußball an. Jedes Spiel wird live gezeigt, nicht nur fünf Minuten von drei Partien. Wobei früher nicht mal sicher war, dass das geplante Spiel überhaupt zur Sportschau sendefertig war, weil erst ein Motorradfahrer die Filmrolle nach Köln bringen musste. (Hardt-Foto: privat)

Das Problem in diesem großen Angebot ist einfach: Wo finde ich was? Und was kostet es? Sky und DAZN und Eurosport und Sport1 und RTL und ProSieben MAXX und Eurosport2 und Dyn und sportdeutschland.tv und MagentaSport ­– wer kennt die Sender, nennt die Namen?

Und hat man etwas über die Jahre gelernt, ist es plötzlich anders. American Football läuft nicht mehr bei ProSieben, weil RTL in einem Piratenakt die Rechte gekapert hat und nun die erfolgreichen NFL-Übertragungen praktisch genau kopiert.

Die US Open im Tennis gab es wie alle Grand-Slam-Turniere (außer Wimbledon) immer bei Eurosport. In diesem Sommer aber ist sportdeutschland.tv mit seinem Streamingdienst eingestiegen, hat bekannte Kommentatoren und Moderatoren verpflichtet (und Boris Becker!) und verlangte erstmals Geld für das Turnier in New York. Eine Bilanz davon war Ende September noch nicht veröffentlicht.

Bis 2027 hat das Unternehmen im Besitz des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) die Rechte an den Filzballspielen in Flushing Meadows erworben. Möglicherweise hofft der DOSB, damit die Bekanntheit seines Streamingdienstes zu steigern. Denn da gibt es ja viele Angebote, einige kostenlos. Für andere muss man bezahlen, aber das Angebot an "Randsportarten" ist wirklich beeindruckend.

Auch der neue Sender Dyn geht nun in die Richtung: Alles außer Fußball. Handball- und Basketball-Bundesliga sind natürlich ein Pfund. Aber auch hier die Frage: Wissen das die Menschen, die nicht eingefleischte Fans eines Vereins oder der Sportart sind? Und sind sie bereit zu zahlen? Wohl eher nicht. Die Zukunft dieses Tochter-Unternehmens der Axel Springer SE wird spannend.

Sky, DAZN und MagentaSport kommen mittlerweile mit Kombi-Schnupper-Angeboten auf den Markt, die im ersten Jahr deutlich günstiger sind als danach. Knapp 60 Euro muss man regulär zahlen, möchte man das gesamte Fußball-Angebot der Abo-Kanäle wahrnehmen. Manche machen das, für die Bundesligisten aber immer noch zu wenige. In England zahlt man für das Komplettpaket über 80 Euro im Monat – dennoch haben mehr Menschen Abos abgeschlossen als bei uns. Daraus leitet dann Karl-Heinz Rummenigge Nachteile für seinen FC Bayern ab.

"Die Wahrheit liegt auf dem Platz", sagte Otto Rehhagel. Und so wird es auch bei den unzähligen und zum Teil schwer bis gar nicht zu findenden Anbietern von Sport-Übertragungen sein. Wie geht das alles aus? Abwarten, es gibt keine Glaskugel. Es gibt nur eine Grenze der Zumutbarkeit in Sachen Kosten und Anbieterstruktur. Und wenn nicht alles täuscht, haben wir die inzwischen erreicht. 

Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne "Hardt und herzlich" für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.