Kolumne "Hardt und herzlich"

Glaubwürdigkeit

02.12.2024

Fachkräftemangel? Andreas Hardt fragt sich, ob Moderatorinnen und Moderatoren wirklich allgegenwärtig sein müssen.

 

Überall herrscht Fachkräftemangel im Land. Sei es bei städtischen Verkehrsunternehmen, in Service oder Küche bei der Gastronomie, der Pflege oder auch beim Straßenbau. Es gibt die Jobs, aber es gibt offenbar nur wenige, die diese auch machen wollen. Oder können.

So ist es wohl auch beim (privaten) Fernsehen und in Sendungen, die im engeren und weiteren Sinn mit Sport zu tun haben. Fachkräftemangel. Anders ist es nicht zu erklären, dass gefühlt jede zweite dieser Ausstrahlungen von ein und derselben Frau moderiert wird.

Das hat mal klassisch beim Fußball angefangen. Field-Interviews und Reporterin bei Sport1. Immer noch Fußball: Bei DAZN gehört sie zum "On-air-Team". Sie feuert aber auch Hunde-Herrchen und -Frauchen bei der Suche nach "dem besten Hund Deutschlands" an. Ist (natürlich nicht!) sprachlos angesichts der athletischen Leistungen der "Ninja Warriors", war beim RTL-Turmspringen, moderiert die Grillshow einer Hamburger Quasselstrippe, suchte "den Superstar", und so weiter und so fort. Schalt' die Glotze an, zappe dich nach hinten durch, vorbei an den gebührenfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen, dahin, wo es billiger wird (also das Schauen) – und dann ist sie schon da. (Hardt-Foto: privat)

Wobei Laura Wontorra ihren Job gut macht. Da verspricht sich nichts, das geht flüssig, locker, sympatisch, kompetent und gut vorbereitet. Alles top. Insofern können wir wohl wirklich auch von Fachkräftemangel ausgehen angesichts der Vielzahl an Buchungen für diese Frau, deren Tag 36 Stunden an 40 Tagen im Monat zu haben scheint. Wenn sich da nicht angesichts dieser Dauerpräsenz, wie auch bei manchen männlichen Kollegen, irgendwann so ein Abnutzungseffekt einstellen würde: Die schon wieder!

Aber gut, davon scheinen wir noch weit entfernt zu sein. Und natürlich gibt es dadurch auch noch die Chance, das wohlbekannte Gesicht für Werbeauftritte zu vermarkten. Bei einer Automarke und einem Wettanbieter. Auch sie also motiviert Mitmenschen dazu, ihr Geld für Einsätze auf Fußball-Ergebnisse zu verballern. Damit ist sie ja leider nicht die einzige – aber bislang die erste Frau, denen eines dieser Spielsucht provozierenden Unternehmen zutraut, als "Markenbotschafterin" im wettenden Fußball-Umfeld erfolgreich zu sein. Damit steht sie nun in einer Reihe mit Oliver Kahn und Lothar Matthäus. Herzlichen Glückwunsch!

Frauen als Expertinnen, Interviewerinnen oder Moderatorinnen sind inzwischen normal und bereichern meist die Berichterstattung. Zahlreiche ehemalige Bundesligaspielerinnen oder aktive Trainerinnen geben ihre Expertise ab, sie sind unverzichtbarer Teil der Sendungen. Sind sie durch eine Quote da? Vielleicht. Wird das jemand einräumen? Nie. Aber das ist auch egal. Viele Kolleginnen sind ein selbstverständlicher und ausgezeichneter Teil der Sportberichterstattung, die Fragen furchtloser stellen als ihre männlichen Mitstreiter.

Zu deren Glaubwürdigkeit trägt aber auch bei, dass sie nicht jeden Quatsch moderieren. Es gibt nämlich gar keinen Fachkräftemangel. Es gibt aber sehr wohl Kolleginnen und Kollegen, die ihre journalistische Reputation nicht dadurch untergraben, dass sie andauernd und überall in ein Mikrofon sprechen. Und sei das noch so lukrativ. Zurück zur Werbung – und ich schalt jetzt aus.

Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne "Hardt und herzlich" für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.