Kolumne "Hardt und herzlich"

Kein Verständnis mehr

04.03.2024

Ein geplatzter Deal, wütende Fans, Spielunterbrechungen – und jede Menge Unverständnis. Andreas Hardt über den Aufreger der vergangenen Wochen.

 

"Wir haben es nicht geschafft, die Vorteile dieses Modells und die Notwendigkeit der Investition als bestes Modell zu vermitteln." Das sagte Axel Hellmann, Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt, nach dem geplatzten Investoren-Deal der DFL im ZDF.

Wie so ein Politiker, der die Verluste seiner Partie an einem Wahlabend in praktisch den gleichen Worten erklärt: "Wir haben es nicht geschafft, unsere Inhalte dem Wähler zu vermitteln."

Eigentlich schwingt bei beiden unausgesprochen mit, bei Hellmann und dem  Politiker sowie ihren jeweiligen Mitstreitern: "Ihr Fußballfans, ihr Wähler, seid zu blöd zu verstehen, warum es für euch gut ist, was wir uns ausgedacht haben."

In diese Richtung ging schon eine "Stellungnahme" der DFL, die am 8. Februar unter der Überschrift "Viele Chancen für die Clubs, keine Nachteile für Fans" verschickt wurde. Wörtlich hieß es darin unter anderem: "Wir können … nachvollziehen, wenn Fans sich angesichts eines komplexen und viel diskutierten Themas wie einer strategischen Vermarktungspartnerschaft Sorgen machen. Umso wichtiger ist die zentrale Botschaft: Fans entsteht durch diesen Prozess kein Nachteil."

"Komplex". Ja dann. Sollen die Fans halt anderen die Entscheidung überlassen, die die Komplexität durchschauen, Hauptsache "keine Nachteile". Da fragt man sich wirklich, für wie unselbstständig im Denken die amtierende DFL-Führung die engagierten Anhänger tatsächlich hält. Schon eine noch Pay-TV-gerechtere, weitere Zersplitterung von Spieltagen wäre ein Nachteil für viele Fans. Um nur ein simples Beispiel zu nennen (Hardt-Foto: privat).

DFL-Präsidiumsmitglied Hellmann wirkte in dem Prozess wie jemand, der den Kontakt zum gemeinen Fanvolk völlig verloren hat. Es werde keine Neuabstimmung geben, sagte er auch noch, als längst Vereine wie der 1. FC Köln oder der VfB Stuttgart eben diese forderten. Hellmann wollte das Ding durchziehen, sicher auch im Interesse von Eintracht Frankfurt als einem international spielenden Klub. Internationale Wettbewerbsfähigkeit wurde immer wieder als Argument dafür vorgebracht, warum fremde Kohle in die Liga fließen muss.

Was er und mache seiner Mitstreiter völlig falsch einschätzen: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit einiger weniger, immer gleicher Topklubs interessiert die Fans in Hamburg, Heidenheim, Osnabrück oder Bochum gar nicht. Auch solche Ideen wie "im Europapokal muss man immer den deutschen Verein supporten" sind Quatsch. Niemand unterstützt RB Leipzig, diese kickende Ausnutzung einer Gesetzeslücke in den DFL-Statuten. Warum soll man plötzlich zu den Bayern halten, denen man sonst die Lederhosen ausziehen will?

Und wenn dann noch Martin Kind in TV-Interviews und Talkrunden, man muss schon sagen: dreist, auf sein Recht einer geheimen Abstimmung verweist, hilft das der Sache auch nicht. Ganz offensichtlich hat dieser Martin Kind als Geschäftsführer der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA in der Abstimmung im Dezember entgegen der Anweisung des Hannover 96 e.V. gehandelt. Und damit die 50+1-Maßgaben bewusst unterlaufen. Die Selbstgerechtigkeit, mit der er sich präsentieren durfte, trug auch nicht zur Deeskalation bei.

Die Proteste der Fans waren kreativ und friedlich. Und sie haben genervt und damit Öffentlichkeit hergestellt. Genau das sollten sie. Mit dem Aufhängen von Spruchbändern wäre nichts erreicht worden.

Deshalb zeugten auch die Einlassungen einiger Live-Kommentatoren bei den unterbrochenen Spielen von der ziemlich großen Entfernung von den Kommentatorenplätzen – oder schlimmer noch: dem Studio bei München – zu den Tribünen. Man habe ja Verständnis, aber jetzt müsse es auch mal gut sein, wir wollen Fußball sehen, und wir kennen die Proteste jetzt und lasst mal die Tennisbälle stecken und wir haben Verständnis, aber jetzt muss der Ball wieder rollen. Schnell. Sonst haben wir kein Verständnis mehr. Und der Verdacht bleibt: Einige hatten das ohnehin nie. Da haben es die Fans nicht geschafft, ihren Standpunkt zu vermitteln.

Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne "Hardt und herzlich" für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.