Kolumne "Hardt und herzlich"

Keine Macht dem Terror

04.12.2023

Sport wurde und wird missbraucht. Für Terror-Propaganda oder Antisemitismus darf dabei aber kein Platz sein, schreibt Andreas Hardt.

 

"Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern." Das sagte Nelson Mandela im Jahr 2000. Und weiter: "Sport kann Hoffnung wecken, wo vorher nur Verzweiflung war." Damit hatte der südafrikanische Bürgerrechtler, Präsident und Friedensnobelpreisträger natürlich recht.

Mandela selbst durfte diese Erfahrung machen, als er 1995 als Präsident Südafrikas Rugby-Nationalmannschaft die Trophäe für den WM-Sieg übergab. Und auch der WM-Titel der Springboks in diesem Jahr hatte wieder einigende Wirkung am Kap. Ebenso verfiel wohl ganz Indien in gemeinsame Trauer, als es mit dem ersehnten WM-Titel im Cricket im eigenen Land nicht klappte. Doch, es gibt viele Beispiele, wo über die einigende Kraft des Sports sonstige politische, religiöse und weltanschauliche Differenzen zumindest ausgeblendet werden können.

Und natürlich gibt es die Hoffnung, dass die Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr zu einem "Sommermärchen 2.0" wird und das gespaltene Land wie 2006 eint. Aber wenn die Jungs von der U17-Nationalmannschaft, die Europameister und gerade eben auch noch Weltmeister wurden  (und, nebenbei gesagt, nicht in der Vorschlagsliste zur Wahl der 'Sportler des Jahres' auftauchten, ja gar nicht auftauchen konnten), rassistisch beleidigt werden, weil einige ihrer Eltern nicht in Deutschland geboren wurden, dann muss man daran zweifeln. (Hardt-Foto: privat)

Auch im Fußball-Umfeld tummeln sich immer mehr Idioten, die sich mit den leider zunehmenden Wahlerfolgen ihres "parlamentarischen Arms" immer mutiger und ungenierter zeigen.

Ein Gipfel der Niedertracht war die Choreo von Hansa-Rostock-Fans im Zweitligaspiel gegen den FC St. Pauli, wo der rassistische Brandanschlag auf das "Sonnenblumenhaus" 1992 in Lichtenhagen nachgestellt wurde. Das wurde er - auch, wenn die Verantwortlichen von Hansa Rostock das Thema anschließend verharmlosten, statt die widerliche Aktion klar zu verurteilen. 

Erst fünf Tage später ging Hansa mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit, in der ein Historiker erklärt: Alles gar nicht so schlimm. Der Verein gab außerdem zu Protokoll: "Jegliche Form von Rassismus, Diskriminierung, Fremdenhass, Antisemitismus und Gewalt haben keinen Platz in unserem Verein und werden ganz klar abgelehnt." Ist klar.

Jede Bengalo-Brandfackel zählt der Deutsche Fußball-Bund in den Stadien, es gibt saftige Strafen an die Vereine für das Fehlverhalten ihrer Fans. Beim Schreiben dieser Zeilen aber war noch nicht erkennbar, dass der DFB Ermittlungen gegen Hansa wegen der volksverhetzenden Handlungen seiner Ultras aufgenommen hat. Das sollte er. Es braucht eine klare Haltung.

Das gilt auch in Bezug auf die globalen Konflikte in der Welt. Die Vorstellung, dass demnächst russische Athleten unter "neutraler Flagge" bei Olympia in Paris starten dürfen, ist schwer erträglich. Und wie müssen sich ukrainische Sportler da fühlen?

Dass manche muslimische Athleten sich weigern, gegen Israelis anzutreten, ist nicht neu. Man hat es meist mit einem empörten Achselzucken zur Kenntnis genommen. Spätestes seit dem 7. Oktober aber läuft auch hier nichts mehr wie gewohnt.

Die Dimension des Hamas-Terrors ist zu groß, das Leiden unschuldiger Bewohner des Gazastreifens ebenso. Die unterschiedlichen Standpunkte zu diesem fürchterlichen Konflikt haben natürlich auch den Sport, die Sportler und die Fans erreicht. Die zunehmenden antisemitischen Beleidigungen auf Sportplätzen und in Fankurven sind da ein (negatives) Beispiel.

Es ist deshalb wichtig und richtig, dass sich deutsche Vereine und ihre Anhänger klar positionieren. Profiklubs müssen auch als Signal nach außen klar durchgreifen, wenn ihre Angestellten wie jüngst der Mainzer Anwar El Ghazi den Terror gegen Israel in Posts relativieren. Die 05er haben es mit der Vertragsauflösung richtig gemacht, sie war alternativlos.

"Bekämpft Antisemitismus – befreit Palästina von der Hamas", stand auf einem Banner von St.-Pauli-Fans im Pokalspiel gegen Schalke 04 im Millerntor-Stadion zu lesen. Das ist Konsens, das muss er sein. Einige St.-Pauli-Fanklubs aber sehen das anders: Sie haben sich inzwischen aufgelöst und ihre Verbindung zum Hamburger Verein gekappt. Dann ist es eben so.

Es ist wichtig, dass sich der deutsche Sport klar zu den Werten im Grundgesetz bekennt. Für Unterstützung palästinensischer (und anderer) Terrororganisationen ist ebenso wie für Antisemitismus kein Platz. Nicht auf der Straße – und auch nicht im Stadion.

Ja, der Sport hat die Möglichkeit, Dinge zu verändern, Freundschaften zu stiften und Beziehungen zu stärken. Er wird aber immer wieder auch politisch missbraucht. Das sollte niemand zulassen, sondern konsequent dagegen kämpfen – als Verband, Verein, Sportler, Fan oder Journalist.

Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne "Hardt und herzlich" für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.