Kolumne "Hardt und herzlich"

Leider typisch

02.01.2024

Die TV-Show anlässlich der "Sportler des Jahres" bestärkt sj-Autor Andreas Hardt in seiner Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen Sender mehr für den Sport in seiner Gesamtheit tun sollten.

 

Da standen sie stolz am 17. Dezember auf der Bühne des Kurhauses Baden-Baden. Große Gala zu Ehren der "Sportler des Jahres", wie in jedem Jahr. Ein neues Moderatorenduo in Lena Kesting und Sven Voss, die die Veteranen Katrin Müller-Hohenstein und Rudi Cerne abgelöst haben. "In diesem Jahr wollten wir einige neue Akzente setzen", begründete  ZDF-Sportchef Yorck Polus die Auswechslung. Vielleicht wollte man auch jugendlicher wirken. Kann man so aber nicht direkt sagen.

Wie auch immer, das Bemühen um frische Showelemente war nicht zu übersehen. Eine DJane mischte am Plattenteller die Musik, Parcour-Athleten überzeugten live und in einem schön gemachten Einspielfilmchen, Breaker stellten live ihren in Paris erstmals olympischen Sport vor. Nice, das alles, sagt man wohl. Doch, doch, da ist schon ein frischer Wind durch das Kurhaus geweht, in dessen Casino sich einst der alte Dostojewski ruinierte.

So gesehen doch ein passender Ort, denn für den Sport zu gewinnen gab es dort trotz aller Innovationen nichts. Die eingespielten Highlights des Jahres, die Sieger-Porträts und die Ehrungen einschließlich überraschend unpassender Laudatoren (Bergdoktor für Denise Herrmann-Wick, hä?) liefen schließlich mal wieder erst kurz vor der Geisterstunde. (Hardt-Foto: privat)

Aber wahrscheinlich darf man von einem Sender, der die Ausstrahlung des Aktuellen Fußball…  sorry: Sportstudios inzwischen regelmäßig um 23.30 beginnen lässt, kaum anderes erwarten. Auch die seit 1966 gesendete "Sport-Reportage" wird zum Jahresbeginn nun reformiert. Vorbei die Zeit der Abbildung des breiten Sportgeschehens. Monothematische Dokumentationen soll es künftig etwa 20 Mal pro Jahr geben, kündigte Polus einen "Strategiewechsel" an.

Tatsächlich gerät der Sport in all seiner Vielfalt beim ZDF immer mehr in eine Spezialistennische in Nachbarschaft von Free-Jazz-Konzerten und Besprechungen avantgardistischer Literatur.

Zur besten Sendezeit läuft Sport vor allem im Winter seit Jahren nur, wo es Aussichten auf deutsche Sieger gibt – wir geben ab zum Biathlon. Und siehe da: Gleich zu Beginn dieser Weltcupsaison, die im Wesentlichen von deutschen Unternehmen gesponsert wird, überraschten deutsche Außenseiter wie Philipp Nawrath und Roman Rees mit Siegen und machten damit Lust auf mehr. Wäre man Verschwörungstheoretiker… Ebenso begeisterten Pius Paschke und Karl Geiger zu Saisonbeginn bei den Skispringern. Deutsche Adler braucht das Fernsehen, keine flugunfähigen Pinguine. Passt schon. Die Vierschanzentournee konnte kommen.

Aber wehe, schwarz-rot-goldene Erfolge sind nicht erwartbar. Dann bleibt die öffentlich-rechtliche Mattscheibe – außer beim Fußball – eher schwarz. Die Handball-WM der Frauen Anfang Dezember suchte man im Gebühren-TV vergeblich. "Ich sehe die Vielfalt des Sports durch die sehr einseitige Berichterstattung von ARD und ZDF gefährdet", klagte der Präsident des Deutschen Handballbundes, Andreas Michelmann.

Die Männer-Nationalmannschaften im Hockey (Weltmeister), Eishockey (Vize-Weltmeister) und Basketball (Weltmeister) belegten bei der Wahl zur "Mannschaft des Jahres" die ersten drei Plätze. Sie wurden zu Recht dafür im Kurhaus Baden-Baden gefeiert, in der ZDF-Show. Sie kamen auch bereitwillig auf die Bühne, freuten sich über ihre 15 Minuten des Ruhmes.

Tatsächlich war bei keinem dieser Teams im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Übertragung ihrer Turniere vorgesehen. Merkt jemand etwas? Erst als die Basketballer sensationell das Endspiel erreicht hatten, sprang das ZDF auf den fahrenden Zug und ergatterte von MagentaTV das Recht zur Live-Übertragung. Gut, ja. Aber auch echt peinlich. Und leider typisch.

Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne "Hardt und herzlich" für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.