Editorial des Präsidenten André Keil

Der VDS und die deutsche Sportgeschichte

02.04.2024

VDS-Präsident André Keil greift die jüngste Debatte um die Hall of Fame des deutschen Sports auf und stellt klar, dass der Verband seiner historischen Verantwortung nicht nur hier gerecht werden wird.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

"Die deutsche Geschichte lässt niemanden los" – so überschrieb der Autor Armin Jäger kürzlich seinen Beitrag zur Hall of Fame des deutschen Sports für die Süddeutsche Zeitung. Er überprüfte die Biografien von Mitgliedern der Ruhmeshalle, seine Recherchen deckten einige Lücken in den Lebensläufen auf. Dabei geht es um die Mitgliedschaft in der NSDAP und die fehlende Reflexion über die jeweilige Rolle in der Nazi-Diktatur.

Jäger hat damit auf einen notwendigen Prozess aufmerksam gemacht, denn die Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte ist ein zwingender Teil der Arbeit des deutschen Sportjournalismus. Wir kommen nicht umhin, selbstkritisch festzustellen, dass diese Auseinandersetzung in den Sportredaktionen einen viel zu kleinen Stellenwert hat. (Keil-Foto: Edith Geuppert)

In diesem Punkt unterscheidet sich die Aufgabe des deutschen Sportjournalismus im Vergleich zu anderen Nationen. In den vergangenen 91 Jahren prägten zwei Diktaturen die deutsche Geschichte, beide nutzten den Sport als politisches Instrument. Das hat generationsübergreifende Auswirkungen, denen wir uns stellen müssen.

Die Hall of Fame des deutschen Sports bietet eine gute Gelegenheit, über die deutsche Sportgeschichte zu reflektieren. Dazu muss eine Dynamik von Überprüfung und Einordnung einziehen, das wird die Aufgabe für die nahe Zukunft. Der VDS ist einer der Träger der Hall of Fame, wir haben für diesen Prozess also Verantwortung zu tragen. Vor einigen Jahren haben wir eine Reform des Leitbildes zur Aufnahme in die Ruhmeshalle initiiert, dieses gilt es nun erneut zu überprüfen und auf zuvor aufgenomme Mitglieder anzuwenden. Wir stehen hierüber mit der Sporthilfe und dem DOSB als weiteren Trägern in engem Austausch, konkrete Schritte werden folgen. Über etwaige Ergebnisse werden wir über unsere Kanäle informieren.

Darüber hinaus hat sich das Präsidium die Aufarbeitung der Rolle des Sportjournalismus im Nationalsozialismus als eine der wichtigsten Aufgaben gesetzt im Hinblick auf das 100-jährige Bestehen des Verbandes in drei Jahren. Der Sporthistoriker Prof. Dr. Lorenz Peiffer sowie unser Berliner Kollege und Buchautor Martin Krauß arbeiten intensiv an einer sporthistorischen Untersuchung dazu. Aus der anfänglichen Archivarbeit hat sich ein klar strukturiertes Projekt entwickelt, das wichtige Impulse für das Selbstverständnis des Verbandes liefern wird.

Parallel dazu arbeitet Hanns Ostermann, der langjährige Vorsitzende des VdSBB, an einer historischen Überprüfung und Einordnung der Träger des "Goldenen Bandes". Diese Auszeichnung wird von deutschen Sportjournalisten seit nahezu 100 Jahren vergeben. Die Geschichte dieser Auszeichnung ist mit der Geschichte des Verbandes eng verbunden – die historische Bedeutung und die Notwendigkeit der Einordnung müssen wir anerkennen und in den gesellschaftlichen Kontext setzen.

Herzliche Grüße, André Keil (VDS-Präsident)