Lokaltermin im SKC von Axel Springer

Einer für alle, alle gemeinsam

03.04.2023

Axel Springer hat seine vorhanden Sport-Redaktionen im hauseigenen "Sportkompetenzcenter" fusioniert und sich breit aufgestellt. Keine Plattform, die nicht nahezu rund um die Uhr bedient wird. Zugleich sei die Qualität gestiegen, sagen die Verantwortlichen. sportjournalist-Autor Andreas Hardt hat sich kundig gemacht.

 

"Ist eine Geschichte fertig, dann wird sie digitalisiert und geht raus", sagt Carli Underberg: "Das ist die goldene Regel."

"Raus" heißt Internet. Oder Handy-App. Jedenfalls online, ab damit in den digitalen, virtuellen Raum, der längst Gegenwart ist in unserer Welt der Nachrichten und Hintergrundstorys – aber noch viel mehr die Zukunft.

Davon sind mittlerweile angesichts stets sinkender Auflagezahlen klassischer Printmedien wohl alle Verlagshäuser überzeugt. Und Axel Springers Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner hat sein Credo in dieser Sache erst vor Kurzem noch einmal wiederholt: "Es ist völlig klar, dass es eines Tages keine gedruckte Bild-Zeitung, keine gedruckte Welt und überhaupt keine gedruckte Zeitung mehr im Hause Axel Springer geben wird."

Die Weichen sind also gestellt, das Ziel ist klar. Jetzt ist Übergang und Transformation, nicht nur im Hause Springer, aber dort besonders konsequent. Natürlich bleibt Boulevard in all den Medien der "roten Gruppe". Boulevard, mit den Übertreibungen, Zuspitzungen und Halbwahrheiten, die auch immer wieder mal vom Deutschen Presserat gerügt werden. Aber darum geht es hier nicht.

Man darf stattdessen die Fusion aller vorhanden Sport-Redaktionen, ihrer Mitarbeiter und Projekte der Bild-Gruppe sowie der Welt zum hauseigenen "Sportkompetenzcenter" (SKC) als eine Pioniertat bezeichnen. "Ich kenne keine andere Medienmarke, die im Sport wie wir eine 360-Grad-Berichterstattung hat", erklärt Underberg.

Der ehemalige Sport-Bild-Reporter und Chefredakteur vom Tennis- und Golf-Magazin verantwortet im SKC als stellvertretender Chefredakteur Sport die Bereiche Video, TV, Digital. Die Gesamtleitung als Chefredakteur Sport hat seit Gründung des SKC Matthias Brügelmann. Walter Straten ist für den Bereich Print und "Daily Business" zuständig, Henning Feindt ist der "Weekly Verantwortliche" (Straten-Foto: firo-Sportphoto/augenklick).

200 Mitarbeitende einschließlich Reportern, Layoutern, Grafikern und Technikern beiderlei Geschlechts gibt es, davon etwa die Hälfte in der Zentrale in Berlin. "Wir finden, dass die Qualität auf all unseren Plattformen gestiegen ist", sagt Underberg: "Wir können Geschichten jetzt schneller, sicherer und besser machen und auch besser timen."

Die Unruhe war natürlich groß, als ab 2017 die Sportressorts der ansonsten eigenständigen Redaktionen von Bild, Bild am Sonntag und Sport Bild zusammengelegt wurden und ab 2019 auch die im Sport tätigen Kollegen der Welt und der Welt am Sonntag in dieses neue SKC integriert wurden. Wirtschaftlich war das wohl wirklich alternativlos. Mit knapp 160.000 verkauften Exemplaren war Sport Bild im vierten Quartal 2022 immer noch Europas meistverkaufte Sportzeitschrift, seit 1998 hat sie jedoch 70 Prozent der Auflage verloren. Die Bild setzte 2022 etwa eine Million Exemplare ab, ein Verlust von sogar 76 Prozent seit 1998.

"Wir verlieren keine Leser, sondern gewinnen täglich welche dazu", sagt Underberg jedoch: "Ich unterscheide nicht mehr zwischen klassischen Printlesern und digitalen. Für uns zählt, wie viele Menschen wir erreichen. Das tun wir mehr denn je." Dazu gehören auch Audio- und Videoformate. Im Dezember 2022 habe Bild im Sport insgesamt einen neuen Rekord mit 165 Millionen Online-Visits aufgestellt, sagt Underberg: "Dass mehr Energie auf die digitalen Plattformen gelegt ist, ist logisch. Mathias Döpfner hat es ja angesprochen. Wir sind in der Qualität bei der Digitalisierung jetzt schon sehr weit vorne."

Statt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen wird nun alles gemeinsam erarbeitet und recherchiert. Das schaffte Synergien, sicherlich. Es sparte natürlich auch Personalkosten. Und dass viele Kollegen der Sport Bild nicht glücklich waren, als sie 2019 aus Hamburg nach Berlin ziehen mussten, ist auch kein Geheimnis.

Aber jetzt, sagt Underberg, hat sich alles längst gut eingespielt. Vom ersten Tag an, sagt er sogar. "Als Sport-Bild-Reporter war meine größte Sorge, dass der Bild-Kollege mir die Themen wegschnappt", erinnert er sich. Das wird nun nicht mehr passieren. Die Themen werden zentral entwickelt.

Am Vormittag werden in Konferenzen die wichtigsten Geschichten für die nächsten zwölf bis 24 Stunden festgelegt, einschließlich der drei großen Aufmacher für den Print. Um 12.30 Uhr wird das Tagesprogramm mit Reportern und immer den Chefs der sechs Außenredaktionen Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main, Essen, München und Leipzig – die "Leuchttürme" heißen – noch einmal festgezurrt, gegebenenfalls angepasst und für die unterschiedlichen Medien aufbereitet (Sportkompetenzcenter-Foto: Axel Springer).

"Um 17 Uhr jeden Tag machen wir seit zwei Jahren die Themenplanung für den nächste Tag mit allen 'Leuchtturmchefs'", erklärt Underberg, "da entscheiden wir, was die großen Geschichten sind, die wir hinter die Pay-Schranke setzen. Da schrauben auch die Digitalchefs schon an der Zeile mit, und wir wissen, die Geschichte können wir schon am Vormittag rausgeben."

Das ist für die Reporter in der digitalen Welt wohl die fundamentalste Änderung. Statt sich an der Andruckzeit zu orientieren und die Geschichte bis dahin geduldig auszurecherchieren oder auch ein Päuschen zu machen, wenn der Spielerberater erst in zwei Stunden anruft, ist jetzt husch, husch. Online wartet nicht. Anpassen, nachtragen, verändern kann man ja immer noch. "Eine Unterscheidung in Print- und Online-Journalisten gibt es schon lange nicht mehr", sagt Underberg: "Hier arbeiten einfach Reporter, die gute Geschichten machen, die dann digitalisiert und gedruckt werden."

Print, App, Podcast, Online-Auftritt, Bild-TV, Videos, es ist ein Medienfeuerwerk. Wer nicht lesen mag, der kann auch hören oder sehen. Vier Podcasts gibt es derzeit insgesamt, dazu mindestens ein Videoformat pro Tag. Jeden Morgen unterhalten sich beispielsweise zwei Kollegen ab 4.30 Uhr im "Stammplatz" über die großen Fußball-Themen, wie man es in der analogen Welt selbst in seiner Stammkneipe täte. Zweimal in der Woche am Montag und Freitag behandelt der TV-Starkommentator a.D. Marcel Reif ähnliche Themen im Netz. Das gestreamte Videoformat "Reif ist live" hat in über 300 Sendungen bereits über 85 Millionen Abrufe generiert. Unterschiedlichste Live-Ereignisse, oft aus dem Kampfsport, werden kostenpflichtig bei Bild.de und Sportbild.de gestreamt (Reif-Foto: Axel Springer).

Das Livesport-Angebot wird sich bald noch ausweiten. Bild-TV zeigt ab der kommenden Saison ein Spiel der Basketball-Bundesliga sowie der Handball-Bundesliga pro Spieltag live im Free-TV. Dazu kooperiert der Sender mit dem angekündigten Sportstreaming-Dienst Dyn, an dem Axel Springer beteiligt ist.

Und natürlich werden solche Rechte dann medial auch auf den anderen Plattformen begleitet. Zehn bis 15 Kollegen werden sich darum kümmern. "Es ist das erste Mal in der Geschichte von Bild und Sport Bild, dass wir so ein Sportprojekt auf diese umfassende Weise von Anfang an mitbegleiten und aufbauen, und das wollen wir jetzt ganz nach oben treiben", sagt Underberg.

Etwa 50 Prozent der Bild-Konsumenten interessieren sich für Sport, rund 25 Prozent des Gesamt-Traffics wird über die Sportangebote generiert, an guten Tagen sind 30 bis 40 Prozent drin. Bei der Fußball-WM ging das auch schon mal auf 50 Prozent hoch. "Beim Digitalen sieht man in Sekunden, ob eine Geschichte funktioniert oder nicht", weiß Underberg: "Wir haben in den letzten Jahren deshalb Reporter-Energie von kleineren Vereinen abgezogen, die nicht so relevant sind."

Stattdessen wird sich eben mehr auf die Großen konzentriert. Bayern, Dortmund, Schalke, sogar Zweitligist HSV – die bringen auch bundesweites Interesse. Das Ziel ist es, die Nachfrage zu erkennen und zu bedienen. Irgendwann wird eine App wissen, welche Ressorts und Themen von jedem Leser individuell am häufigsten geklickt werden und schon auf der Startseite entsprechende Angebote machen. "Da werden wir uns hinentwickeln", meint der Sport-Digitalchef, "mit aktuellen und exklusiven Geschichten, die der User am liebsten hat."