In den USA wollen mehrere Konzerne ihre Sportrechte zusammenlegen

Einer für alles? Abwarten!

02.04.2024

Disney, Fox und Warner Bros. Discovery wollen ihre Sportrechte in einen gemeinsamen Streamingdienst überführen. Ein Modell für Deutschland? SZ-Korrespondent Jürgen Schmieder klärt auf.

 

Kürzlich, beim Besuch des Sportreporters aus den USA in der Heimat: Das Champions-League-Rückspiel zwischen dem FC Bayern und Lazio Rom, wo kann man das denn sehen? Ach ja, Amazon Prime Video, danke sehr. Und das von Borussia Dortmund gegen Eindhoven eine Woche später? DAZN, alles klar. Das erste Länderspiel des Jahres gegen Frankreich? ZDF, prima – dann läuft das zweite Spiel gegen die Niederlande wohl auch im öffentlich-rechtlichen TV? Ah nein, das ist beim Kabelsender RTL zu sehen. Sämtliche Spiele der Europameisterschaft im Sommer dann auf Magenta TV. 34 der 51 Partien aber auch bei ARD und ZDF, darunter alle Spiele der Deutschen. Die 17 anderen bei RTL und im Livestream bei TVNow.

Jetzt mal ehrlich: Blickt da noch irgendwer durch – nicht nur im Fußball, sondern auch bei allen anderen Sportarten? Weiß doch kein Mensch mehr, wo was zu sehen ist – und vor allem: Wofür man ein Abo braucht. Erstens: Geht das nicht einfacher, und zahlt man zweitens am Ende als Kunde nicht viel mehr als vorher?

Man erinnert sich an diesen Deal, den die Konzerne Disney, Fox und Warner Bros. Discovery Anfang Februar verkündet haben: Sie wollen ihre Sportkanäle zu einem gemeinsamen Streamingangebot bündeln. Es klingt nach einer Revolution, nach einer Disruption von Profisport und dessen Rechteverwertung, von TV und Streaming, deren negativen Auswüchse wie gerade anhand von Fußball auch in Deutschland zu sehen sind – wenn selbst die Rechte einzelnen Sportarten oder Ligen auf mehrere Konzerne verteilt sind und die Leute a) gar nicht mehr wissen, wo überhaupt was läuft, und b) für jedes Ereignis irgendwo ein Abo abschließen müssen. Ist das der Anfang vom Ende des Irrsinns? Ein Portal für Sport, fertig? Hurra!

Es wird noch besser: Es gibt in diesem gebündelten Streamingangebot nicht nur Live-Sport, sondern auch Zugang zur wirklich sagenhaften Doku-Datenbank vom Sportsender-Streamingservice ESPN+ sowie die Nicht-Sport-TV-Kanäle ABC und Fox mit Shows wie "The Simpsons" und "The Bachelor". Insgesamt 14 Kanäle sind gebündelt, Name und Abo-Preis stehen noch nicht fest – nur, dass der Service im Herbst in den USA starten soll. Im Gespräch sind 40 Dollar pro Monat – kein Schnäppchen, gewiss, angesichts der Fülle an Inhalten und den in den USA ausgerufenen Preisen für Live-Sport auch kein Wucher, eher im oberem Premium-Segment. Und: Live-Sport ist eines der sehr wenigen Formate, bei denen Sender und Streamingdienste sicher sein können, dass Leute zu einer bestimmten Zeit vor dem Fernseher sitzen werden – beim Super Bowl waren kürzlich mehr als 123 Millionen Amerikaner live vorm TV, die Werbeminute kostete 14 Millionen Dollar. Fox-Chef Lachlan Murdoch sagte, dass er bis Ende 2028 mit fünf Millionen Abonnenten rechne; also 2,4 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr allein an Abo-Gebühren.

Ist das also die Lösung? Ein Sport-Service für alles? Moment. Es ist dann doch nicht der Sport-Super-Streamingdienst, als den ihn Disney-Chef Bob Iger ("ein wichtiger Schritt für die Medienbranche"), Fox-Geschäftsführer Murdoch ("eine neuartige, aufregende Plattform") und Warner-Boss David Zaslav ("eine unvergleichliche Kombination bedeutsamer Sport-TV-Rechte") anpreisen. (Foto Messi: firo sportphoto/augenklick)

Ja, es gibt Spiele der vier großen US-Männer-Ligen in den Sportarten Football, Basketball, Eishockey und Baseball, Fußball aus Europa sowie die WM 2026, Tennis-Grand-Slams, die Kampfsportserie UFC und Golf. Es fehlen aber zum Beispiel: mehr als die Hälfe der Football-Spiele, also jene, die bei den Konkurrenten Amazon, CBS und NBC laufen. Oder: die US-Fußballliga MLS und damit Lionel Messi (Apple), die Olympischen Spiele (NBC), die Freitag-Nacht-Baseball-Spiele (Apple). Dafür braucht es Extra-Abos, also mehr als die kolportierten 40 Dollar im Monat für das Warner/Fox/Disney-Paket.

Rich Greenfield, Medien-Experte bei der Analysefirma LightShed Partners, sagt deshalb über den Deal: "Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Frage ist jedoch, ob er er weit genug geht." Zum einen fehlten wichtige Rechteinhaber wie Paramount für ein Komplett-Angebot; zum anderen dürften die Basketball-Rechte, über die derzeit für die Zeit nach der Saison 2024/25 verhandelt wird, den Wert des Deals nochmal erheblich verschieben: Derzeit teilen sich Disney (mit den Sendern ESPN und ABC) und Warner (TNT) die Rechte, die derzeit 2,67 Milliarden Dollar pro Jahr kosten. Beide Konzerne wollen weiter übertragen, natürlich auch auf dem neuen gemeinsamen Portal; allerdings dürften der Preis dafür künftig bei 6,7 Milliarden Dollar pro Spielzeit liegen. Es heißt, dass Amazon und NBC interessiert seien – gerne auch an Teilrechten, wie es Amazon beim Football (Donnerstagsspiele) hat. Das könnte den Wert des Warner/Fox/Disney-Portals mindern.

Es ist derzeit nicht klar, ob die drei Konzerne bei Verhandlungen um Sportrechte gemeinsam auftreten werden; bekannt ist nur: Sie sind je zu einem Drittel an der Plattform beteiligt, besitzen gleichmäßig Sitze im Vorstand und lizenzieren ihre jeweiligen Rechte nicht-exklusiv an die Plattform – sie können sie also auch auf ihren linearen Kanälen und Plattformen zeigen.

Damit ist aber auch klar: Es ist keine Revolution, sondern eine Rückkehr zu dem, wie lineares TV in den USA vorm Streaming funktionierte: Anbieter wie Comcast, Sling und mittlerweile YouTubeTV bündeln auch einzelne Sender (und bezahlen deren Besitzer dafür) und verlangen von den Kunden eine Abo-Gebühr für das gewählte Paket. Der Deal ist also letztlich ein Sport-Paket, das den Rechte-Wahnsinn zwar ein bisschen eindämmt, letztlich aber zeigt: Die Branche hat sich in den USA so oft gedreht, dass sie im Streaming-Bereich dorthin zurückkehrt, was sie im linearen TV verlassen wollte: Senderpakete.

Vieles, mit dem in den USA experimentiert wird, kommt irgendwann auch nach Deutschland – siehe den Sender- und Streaming-Wahnsinn beim Sport, der in den USA noch sehr viel ausgeprägter ist, weil einzelne Vereine die lokalen Rechte selbst vermarkten: Wer zum Beispiel in Los Angeles lebt und die Spiele des dort ansässigen Eishockey-Klubs Kings sehen will, braucht den Anbieter Bally Sports, sonst bleibt der Bildschirm dunkel.

Deshalb: Abwarten, wie sich das auf den deutschen Markt auswirkt. Bis dahin: Wo läuft das Viertelfinal-Hinspiel des FC Bayern beim FC Arsenal? Ah, Amazon Prime. Und das Rückspiel? Oh, DAZN. Na dann.

Jürgen Schmieder ist US-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung mit Sitz in Los Angeles. Von dort berichtet er vor allem, aber nicht nur über Sport.