Mit Volldampf wurde am 2. November die PR-Maschinerie in Gang gesetzt: Tennisspielerin Angelique Kerber und Fußballprofi Manuel Neuer verkündeten ihre Zusammenarbeit bei Sonnenschutz- und Pflegeprodukten. Im Rahmen dieser Kooperation wurden Interviews mit den Sportstars arrangiert. Im Vordergrund aus Sicht der Organisatoren stand die mediale Berücksichtigung der Cremes. So weit, so normal. Leider.
Der exklusive Zugang zu Persönlichkeiten des Sports ist für Journalisten ein wichtiger Grund für die Teilnahme an solchen Veranstaltungen. Die eine oder andere Frage fernab der Produkte ist möglich, das ist heutzutage viel wert. Und angesichts des fortschreitenden Abschirmens und der damit verbundenen Unnahbarkeit von Sportgrößen ist dieser Weg für viele Kollegen aus dem Sportjournalismus zum Teil alternativlos.
Die Sportjournalisten befinden sich dabei in einem Dilemma: Ist die Qualität der Berichterstattung gefährdet, weil sie sich in eine Abhängigkeitsfalle begeben? Dabei bestimmt vor allem der Medienkonsument darüber, was gefragt ist. Hier zählt insbesondere die Nähe zu Sportstars – wie diese zustande kommt, ist für Mediennutzer häufig zweitrangig. Es bleibt also die Frage, wie weit man hier beim redaktionellen Output mitgehen darf (Wiske-Foto: privat).
„Ab in die Sonne! Demnächst kann man auf die Hilfe zweier Top-Stars setzen, wenn es mal wieder heiß wird“, war der Einstieg eines journalistischen Textes noch vor der ganz großen Verkündung. Ein Werbetexter hätte es für Kerber und Neuer und ihre Cremes nicht schöner formulieren können. Die fröhlichen Zeilen jedenfalls wurden belohnt, es folgte ein paar Tage später das große Doppelinterview. Zwei Weltklasse-Athleten für ein Gespräch – das zählt in unserer Berufsgruppe zum ganz großen Sport.
Die Nähe zum Journalisten, die Sportstars gerade bei sensiblen Angelegenheiten so scheuen, kommt gerade recht, wenn es darum geht, Geld zu verdienen. Dann, und ganz häufig nur dann, bezieht man Stellung, plaudert aus dem Nähkästchen oder über sein Seelenleben. Dann setzen die Protagonisten aus dem Sport auf die Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit der Medien – und geben dafür ein bisschen mehr preis.
Sind wir ehrlich: Ohne die neuen Pflegeprodukte hätten Kerber und Neuer in trauter Eintracht wahrscheinlich überhaupt kein Interview gegeben. Mehr als befremdlich ist, dass der Torhüter des FC Bayern just in dem Moment, in dem seine Geschäftsaktivitäten rund um den Sonnenschutz starteten, erstmals offen von seiner Hautkrebserkrankung sprach. Der Zeitpunkt lässt schlussfolgern, dass hier eine Krankheit gewinnbringend eingesetzt wird.
Transparente, journalistische Einordnung nötig – und die muss kritisch ausfallen
Selbstverständlich berichten wir, wenn der Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft offen über seine schwere Zeit spricht. Es ist ein Thema, das uns alle berührt. Krebs ist schlimm. Jeder Betroffene entscheidet selbst, ob er darüber offen sprechen möchte. Hier aber den Pass zum gewinnbringenden Sonnenschutzprodukt aus dem eigenen Unternehmen einzukalkulieren ist beschämend.
Dieser Fall verlangt nach einer transparenten, journalistischen Einordnung – und die muss kritisch ausfallen. Der Hinweis, man möchte durch die eigene Geschichte öffentlich dazu aufrufen, sich vor der Sonne zu schützen, verliert mit dem parallelen Verkaufsstart der eigenen Produkte jegliche Glaubwürdigkeit. Dabei ist es absolut lobenswert, wenn Sportler sich für die gute Sache einsetzen. Erst recht, wenn sie selbst betroffen sind.
Das zeigt etwa Fußballprofi Timo Baumgartl. Auch er war an Krebs erkrankt, ist damit offen umgegangen. Das kann nicht jeder, das verlangt auch keiner. Mit einer lila Schleife am Fußballschuh hat er kürzlich für das Thema Krebsvorsorge sensibilisiert, andere Spieler zogen mit. Auch dieses Thema wurde lanciert. Baumgartls Verein Union Berlin hatte im Vorfeld auf die Aktion hingewiesen, viele Medien haben darüber berichtet. Der feine Unterschied: Hier ging es ausschließlich um die wichtige Sache – nicht ums Geschäft.
Jana Wiske, Jahrgang 1975, ist seit 2017 Professorin für Ressortjournalismus und PR/Unternehmenskommunikation an der Hochschule Ansbach. Davor war sie über 15 Jahre Sportredakteurin beim kicker. Bis heute schreibt Wiske regelmäßig für das Fachmagazin und andere Medien.