Wie RTL mit American Football neue Zielgruppen erschließen will

In der Mitte der Gesellschaft

24.02.2023

Die NFL ist unter der Dachmarke ran bisher ein Erfolgsprodukt von ProSiebenSat.1. Mit dem Wechsel der Rechte zum Kölner Sender zur kommenden Saison soll der Sport hierzulande im Mainstream ankommen, wie sportjournalist-Autor Christoph Leischwitz berichtet.

 

Man kennt das von der National Football League: Neuigkeiten werden häppchenweise serviert, gerne auch mal mit längeren Pausen dazwischen. Das passt sehr gut zum Spiel selbst, beim American Football baut sich Spannung in ähnlicher Form auf. Bevor zum Beispiel im vergangenen November das viel umjubelte NFL-Spiel in München stattfand, erhielten die Journalisten im Stakkato Pressemitteilungen, die jedes Mal eine Frage beantworteten, aber zugleich eine neue aufwarfen: Das erste Spiel in Deutschland findet in München statt – ja, aber wer spielt? Die Tampa Bay Buccaneers mit Tom Brady empfangen die Seattle Seahawks – prima, aber wann eigentlich?

Der neue Medienpartner in Deutschland scheint das nun ähnlich zu machen: Wie die Berichterstattung im Detail aussieht, wer überhaupt die Kommentatoren sind – all dies wird vermutlich häppchenweise bekanntgegeben. Die Nachricht, dass RTL im Werben um die NFL-Rechte ProSiebenSat.1 ausgestochen hat, kam Anfang September recht überraschend, schließlich war das ran-Team überaus erfolgreich. Doch jetzt werden noch mehr Spiele zu sehen sein, rund 80 pro Saison auf RTL, NITRO und RTL+ (Steinforth-Foto: NFL).

„Mit DAZN verbindet uns eine vertrauensvolle und gewachsene Partnerschaft, die wir mit der Vertragsverlängerung weiter ausbauen“, sagt Alexander Steinforth, der General Manager der NFL Germany, und fügt an: „Die NFL hat mit RTL und DAZN Partner gefunden, die dem deutschen American-Football-Fan 30 Prozent mehr Live-Football ab der Saison 2023/2024 bieten werden.“

Die Betonung, dass auch mit DAZN weiter kooperiert wird, dürfte dem deutschen NFL-Chef auch deshalb wichtig sein, weil es unterschiedliche Zielgruppen gibt: Die Nerds, die beim Football Denglisch sprechen, werden sich eher vom Streamingdienst abgeholt fühlen. RTL ist mit seiner Infrastruktur dafür zuständig, neue Fans hinzuzugewinnen, die vielleicht noch ein wenig Regelkunde benötigen.

ProSieben mit seinem Spartenkanal Maxx darf sich auf die Fahne schreiben, American Football in Deutschland salonfähig gemacht zu haben. Es war vor allem Zeljko Karajica, der übrigens auch an den medialen Erfolg einer Übertragung der Darts-WM glaubte, der die NFL ins Free-TV holte. Die Crew um Patrick „Coach“ Esume und „Icke“ Dommisch gewann 2022 den Deutschen Fernsehpreis für die beste Sportsendung.

Sie bescherte ProSieben Maxx ungeahnte Quoten. Spitzenspiele der regulären Saison reichen jetzt an die Millionenmarke heran, Play-off-Partien haben mehr Zuschauer als Sat.1 vor zehn Jahren beim Super Bowl (0,95 Millionen). Das München-Spiel erreichte mit über zwei Millionen Zusehern Final-Ausmaße. Und wenn an einem Sonntagabend gewöhnliche NFL-Spiele liefen, war die ran-App oft die meistgenutzte frei erhältliche Sport-App.

Zugleich war der Erfolg aber nicht groß genug, um bei ProSiebenSat.1 die Strukturen zu verändern. Die verschworene Football-Gemeinde ist zusammengeführt, die Reichweite des Senders aber ausgereizt. Tatsächlich stagnierten die Quoten in der aktuellen Saison (Foto: ran-Team American Football: ran).

Jetzt soll Football, medial die zweitbeliebteste Sportart unter jungen Leuten, die Mitte der Gesellschaft erreichen. „RTL verfügt als Sendergruppe über eine hervorragende Sportkompetenz und hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie Sportarten mitentwickeln und mit innovativen Ideen einem breiten Publikum bekannt und beliebt machen können“, erklärt Steinforth.

Bis 2028 wird RTL Deutschland „für seine Berichterstattung seine gesamte Reichweite über alle Mediengattungen von TV bis Audio, von Digital bis Print nutzen, um neue Zielgruppen zu erschließen“, wie es in einer Presseerklärung heißt. Und obendrein eigenen Content produzieren, zum Beispiel Football-News und Sendungen für Kinder. Die NFL hat also ihre eigene Vermarktung ein Stück weit ausgelagert.

Während sich das Moderatoren-Team von ran immer auch ein bisschen selbst abfeierte und als Teil der Fangemeinde verstand, scheint man bei RTL erst einmal etwas vorsichtiger zu sein. Schon jetzt wird das typische NFL-Gebaren deutlich: Aussagen zum finanziellen Umfang der Kooperation gibt es selbstverständlich nicht.

Christoph Leischwitz arbeitet von der Region München aus als freier Journalist. Er ist regelmäßig in Süddeutsche Zeitung, SPIEGEL und 11 FREUNDE vertreten.