VDS-Beisitzer Thorsten Poppe zur medialen Zukunft der Fußball-Bundesliga

Neues Spiel, neues Glück?

02.10.2023

Anfang kommenden Jahres steht die Ausschreibung der TV-Rechte an der Fußball-Bundesliga an. Dabei wird vor allem seitens der derzeitigen Rechteinhaber mehr Nähe zu den Profis gefordert, um ein spannenderes Unterhaltungsprodukt liefern zu können. Doch was bedeutet das für uns Sportjournalisten?

 

Als ich Ende der 1990er-Jahre meine ersten Gehversuche im Sportjournalismus unternommen habe, wurde die viel beschworene "Nähe" der Kolleginnen und Kollegen zu den Akteuren regelmäßig kritisiert. Oft auch nicht zu Unrecht, weil die journalistische Distanz durch die Besonderheiten des Ressorts Nähe auch ein Stück weit einforderte. Wie sonst sollte man als Erster an die Aufstellung der Mannschaft kommen, als über einen guten Kontakt zum Trainer?

Doch mittlerweile ist aus diesem "Nähe/Distanz-Problem" mehr ein "Distanz/Nähe-Problem" geworden. Denn die klubeigenen Medien dienen als Multiplikator, bekommen beispielsweise vom Neuzugang die ersten und natürlich exklusiven Aussagen. Sie sind immer nah dran, um die Botschaft der Klubs zu transportieren. Dafür braucht es heute eben keine traditionellen Medien mehr, dafür werden eigenen Kanäle genutzt.

Der Vorteil dieser Entwicklung liegt auf der Hand: Die Kritik an der "Nähe" des Sportjournalismus zu den Akteuren, über die wir berichten, ist ein Stück weit leiser geworden. Zuletzt hat die Otto-Brenner-Stiftung in einer 2018 veröffentlichten Studie über den "Fußballjournalismus" das spezifische "Nähe-Problem" unserer Branche thematisiert und völlig zu Recht einen "reflektierten Umgang" damit eingefordert. (Poppe-Foto: vds)

Doch gerade jetzt soll der Weg zu mehr "Nähe" mit den Idolen der Bundesliga die Rechte-Erwerber wieder nach vorne bringen. So klingt jedenfalls im Vorfeld der Ausschreibung der Bundesliga-TV-Rechte so manche Stimme zu der Diskussion um Kabinen-Interviews oder Einblicke in den Mannschafts-Bus.

"Das Thema wird oft zu sehr fokussiert auf die Frage, ob wir Bilder aus der Kabine haben können. Es bringt niemandem etwas, wenn wir filmen können, wie benutzte Duschen aussehen, wenn die Mannschaft abgereist ist", verdeutlichte Sportvorstand Charly Classen von Sky Deutschland kürzlich im Interview mit dem Branchendienst DWDL.

Die Klubs sehen das vermutlich kritisch. Denn die haben dafür längst ein eigenes Geschäftsmodell entwickelt und nutzen ihre exklusiven Zugänge für Eigenproduktionen für den Streamingmarkt. Und erzielen damit über entsprechende Abo-Modelle gute Einnahmen. Diese einfach so an Dritte abzutreten, wäre finanziell schmerzhaft. Die Idee scheint also schon besetzt.

Hinzu kommt die allgemeine Situation für den komplizierten Sportrechte-Markt. "Die Marktsättigung scheint erreicht zu sein, auf dem deutschen Markt kann man mit den TV-Rechten nicht so viel Geld verdienen, wie es einige hoffen", analysierte Sebastian Uhrich vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Sporthochschule Köln auf web.de. Insgesamt müsse die Bundesliga vielfältige Fragen beantworten wie: Wie können wir relevant, wie können wir gut, wie können wir ein spannendes Unterhaltungsprodukt bleiben?

Kabinen-Interviews könnten ein belebendes Element sein, weil die Neugierde der Zuschauer*innen befriedigt werden würde. Im besten Fall zieht dies eine Steigerung der Abo-Zahlen nach sich, bei der nächsten Rechte-Ausschreibung könnte dies höhere Einnahmen generieren.

Also Win-Win für alle?

Nicht für den Sportjournalismus, denn die Entertainisierung der Sportberichterstattung würde nochmals zunehmen. Und auch die "Nähe/Distanz-Problematik" wieder stärker aufpoppen. Denn der journalistische Mehrwert eines Kabinen-Interviews darf durchaus in Frage gestellt werden.

Deshalb hilft vielleicht der Hinweis auf eines der Ergebnisse der erwähnten OBS-Studie, die festgestellt hat, dass die Nachfrage für eine unabhängige Fußballberichterstattung steige. Immer mehr Menschen, junge wie alte, interessierten sich dabei für die Geschichten hinter dem Glanzprodukt Profifußball. Ganz ohne Kabine.  

Ihr Thorsten Poppe (VDS-Beisitzer)