Rückblick auf die 77. Gala "Sportler des Jahres"

Öfter mal was Neues

02.01.2024

Bereits zum 77. Mal wählten die Mitglieder des VDS die "Sportler des Jahres". Es gab allerdings auch einige Neuerungen, wie sj-Autorin Elke Rutschmann berichtet.

 

Respekt und Anerkennung – das sind meist die zentralen Begriffe, wenn kurz vor Heiligabend in Baden-Baden Bilanz gezogen wird, um die herausragenden Persönlichkeiten eines Sportjahres zu küren. Das war auch in diesem Jahr nicht anders im edlen Ambiente des Bénazetsaals im Kurhaus. Und doch war vieles neu bei der 77. Auflage bei der Kür der Besten: Es war moderner, frischer und eine Spur lebendiger – passend zum vorolympischen Jahr.

Die veranstaltende Internationale Sport-Korrespondenz (ISK) der Familie Dobbratz und das ZDF hatten dem Format "Sportler des Jahres" ein geglücktes Relaunch verpasst. Lena Kesting und Sven Voss führten erstmals durch die Gala. Das Duo hatte nach 15 Jahren Katrin Müller-Hohenstein und Rudi Cerne abgelöst. "Lena und Sven haben deren Fußspuren sehr gut getroffen", sagte ZDF-Sportchef Yorck Polus. Deren sehr anregende Moderation, die auch den Nerv der jungen Geehrten traf, wurde durch amüsante Einspieler – auch mit einem Schwenk zu den Special Olympics in Berlin – aufgelockert. Die Breakdancer, die in Paris mit ihrem "Breaking", erstmals olympisch werden, performten auf der Kursaal-Bühne, auf der auch eine Deutsche Meisterin im Kickboxen am DJ-Pult stand.

Aber die entscheidende Neuerung fand im Vorfeld statt, bevor der deutsche Sport sich selbst feierte. Denn erstmals konnten nicht nur Sportjournalistinnen und Sportjournalisten abstimmen, sondern auch Athletinnen und Athleten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sowie des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS). Ihre Vorauswahl wurde in die Vorschlagsliste übernommen.

Der DOSB und der DBS sehen in diesem Votum eine "kleine Revolution", der neue Modus kam aber bei den Siegerinnen und Sieger bestens an. "Die Wahl ist damit ein Stück ehrlicher und auch nachvollziehbarer geworden", sagte Barren-Weltmeister Lukas Dauser (Foto: Tom Weller/24passion). Er wurde zum "Sportler des Jahres" gekürt, nachdem seine Frau Viktoria eine anrührende Rede auf ihren erfolgreichen Gatten gehalten hatte. Der Schwimmer Florian Wellbrock wurde Zweiter, Ruderer Oliver Zeidler schaffte Platz drei.

Schön war auch, dass die Wahl für die Sportjournalistinnen und Sportjournalisten diesmal nicht so verzwickt und vertrackt war, wie schon in den Jahren davor, als man den Siegerinnen und Siegern nicht immer das Etikett verdienstvoll umhängen konnte. 2022 etwa wurde die Frage aufgeworfen, ob denn ein WM- oder EM-Titel wertvoller seien als ein Olympiasieg in Peking. Die nun frisch gekürte "Sportlerin des Jahres", Denise Herrmann-Wick war zwölf Monate zuvor nur Vierte geworden und sagte damals, sie habe an ihrer Wahrnehmung gezweifelt: Wintersport spiele sich eben bis März ab, dann seien die Erfolge lange her.

Im vergangenen Jahr profitierten die Leichtathleten von ihren Siegen bei den European Championships, Erfolge, die sie bei der WM nicht wiederholen konnten. So war der Weg frei für die anderen Sparten. Herrmann-Wick genoss den Erfolg zum Ende ihrer Karriere und strahlte in ihrem Glitzerkleid, das die Schwangerschaft gut kaschierte. "Es ist eine tolle Anerkennung, aber man begegnet den anderen Athletinnen auf Augenhöhe", sagte sie. Es war das bislang knappeste Ergebnis in der Geschichte dieser Wahl: Die Biathletin hatte nur 21 Stimmen Vorsprung auf die rhythmische Sportgymnastin Darja Varfolomeev (1255). Dritte wurde Skispringerin Katharina Schmid,  geborene Althaus (1208).

Vor zwölf Monaten hatte Doppel-Europameisterin Gina Lückenkemper (27) ganz oben gestanden. Die Sprinterin war auch diesmal in Baden-Baden, um die Laudatio auf die Basketballer zu halten. Sie hatten sich nach dem "Wunder von Manila" völlig unstrittig die Ehrung zur "Mannschaft des Jahres" gesichert – vor der Eishockey-Nationalmannschaft und den Feldhockey-Herren. "Ihr habt uns so viel Spaß bereitet und diesen Preis verdient“, sagte Lückenkemper. Weltmeister-Trainer Gordon Herbert, der vorab vom DOSB zum "Trainer des Jahres“ bestimmt worden war, fehlte wegen eines Trauerfalls in der Familie. "Trainerin des Jahres“ wurde Isabell Sawade, Teamchefin Rhythmische Sportgymnastik

Der Abend war sicher auch für den DOSB ein Mutmacher, denn die Prognosen für Paris fallen eher düster aus. Doch gerade die olympischen Disziplinen wie Turnen, Rudern oder Schwimmen glänzten bei der Gala. Zudem verfügt die Szene wieder über coole Typen wie Zehnkämpfer Leo Neugebauer vom VfB Stuttgart (Foto: Tom Weller/24passion), der nach seinem deutschen Rekord und Platz fünf bei der WM als "Newcomer des Jahres" ausgezeichnet wurde.

Vieles war aber auch wie immer. Ein erlesenes Menü, Sportlerinnen und Sportler genossen den Auftritt auf dem roten Teppich, frühere Sportstars wie Heike Henkel, Sven Ottke oder Fabian Hambüchen freuten sich darauf, alte Weggefährten zu sehen oder sich mit den Jungen nach dem offiziellen Akt in die After-Show-Party zu stürzen. Spaß hatte auch Erik Frenzel, der zum fünften Mal in Baden-Baden war. Der Nordische Kombinierer war nie "Sportler des Jahres", erhielt aber den Sparkassenpreis für Vorbilder im Sport. "Diesmal konnte ich alles voll genießen, denn für mich stand ja kein Wettkampf an", sagte Frenzel, der inzwischen auf die Position des Cheftrainers gewechselt ist.

Klaus Dobbratz registrierte übrigens noch ein weiteres Novum an dem feierlichen Abend: "Alle Geehrten waren anwesend, das hatten wir schon lange nicht mehr“, sagte der ISK-Chef. Ausruhen will er sich nicht nach der gelungenen Auffrischung. Auch das ZDF und Sportchef Polus haben weitere Pläne. „Wir stehen in Gesprächen mit dem DBS, wie wir den Behindertensport vielleicht noch mehr einbringen können.“