Das Sport-Streamingportal Dyn sieht sich auf einem guten Weg

Raus aus der Blase

01.02.2024

Seit dem 23. August 2023 ist das Sport-Streamingportal Dyn auf Sendung. Wie geht es voran beim Bestreben, sich in der zweiten Reihe zu etablieren? Thomas Gehringer hat hingeschaut. 

 

Es gibt noch Welten jenseits des Fußballs. Die neue kleidet sich in die Grundfarbe blau, ist nach einer alten physikalischen Einheit für Kraft benannt und klingt wie ein besitzanzeigendes Fürwort: Dyn (gesprochen: Dein) ist das neue Streamingportal von Axel Springer und Ex-DFL-Geschäftsführer Christian Seifert, das Ende August 2023 seinen Betrieb aufnahm. Das kumpelhafte Duzen ist keine übertriebene Ranschmeiße, denn wenn man sich durch die verschiedenen Formate in den hier versammelten Sportarten Handball, Basketball, Volleyball und Tischtennis zappt, wird klar: Hier duzen sich ohnehin alle. Es dominiert eine harmlos-fröhliche Nahbarkeit.

Wer sich das Abo (150 Euro für ein Jahr oder 14,50 Euro monatlich kündbar) leistet, wird in eine übersichtliche Welt ohne besonderen Schnickschnack geleitet, unterteilt in rechteckige Kästchen, sauber angeordnet in geraden Reihen. Dyn präsentiert sich aufgeräumt, ganz nüchtern optimiert für die mobile Nutzung. Die Springer-Tochter hat Großes vor, will "Home of Handball" und "Home of Basketball" werden. Im Schatten des übermächtigen Fußballs will sich Dyn als zentrales Portal für die zweite Reihe etablieren. Und mit der Handball-Europameisterschaft der Männer in Deutschland konnte Dyn immerhin auch als Zweitverwerter internationaler Länderwettkämpfe auf sich aufmerksam machen.

Exklusivität ist im digitalen Zeitalter ohnehin nicht mehr alles. Die Ligen erhoffen sichDyn6 auf allen Ebenen mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Dabei soll nicht nur die publizistische Macht des Springer-Konzerns genutzt werden, der Live-Spiele der Handball- und Basketball-Bundesligen der Männer streamt – nach dem Aus für Bild.TV nun eben bei Welt.TV. Vielmehr sollen deutlich mehr Videos, Interviews und andere Formate produziert werden, die andere Medienhäuser, aber auch die Vereine und Ligen selbst auf ihren Online-Seiten oder in den sozialen Netzwerken einsetzen können.

Gleichzeitig lockte Dyn mit dem Versprechen, zehn Prozent des eigenen Umsatzes zur Nachwuchsförderung an die jeweiligen Ligen auszuzahlen. Und der Ruf von Dyn-Gründer Seifert, der bis 2021 mehr als 16 Jahre lang als Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL) tätig war, war sicher auch nicht hinderlich. Springer und Seifert – "in dieser Konstellation ist das schon irgendwie ein Killer", sagte Stefan Holz, Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga, dem Sport-Informationsdienst (SID). Die "easyCredit BBL", wie die Männer-Bundesliga im Sportmarketing-Deutsch heißt, hatte sich zuvor für einen Wechsel von Magenta TV zu Dyn entschieden. (Dyn-Slogans: Screenshot sj)

Zahlen zu Abonnenten und Reichweiten werden fünf Monate nach Sende-Start nicht veröffentlicht, weder von Dyn selbst noch von den Ligen. Aber ein Wechsel zu einem anderen Pay-Anbieter ist immer auch mit einigem Risiko verbunden. Die Reichweite vor der Paywall durch kostenlose digitale Inhalte im Netz wie Highlight-Clips oder Interviews, werde nun jedoch massiv gesteigert, sagt Holz. "Wir wollen rauskommen aus der Blase – und das funktioniert definitiv." Manche Basketball-Fans haben ihren Unmut über den Wechsel zu Dyn bekundet, doch Holz zeigt sich nicht beunruhigt. Die Kritiken seien "weit entfernt von einem Shitstorm".

Im Basketball zeigt Dyn noch die Spiele im Pokal sowie in der Champions League. Frauen-Wettbewerbe sind allerdings ebenso nicht enthalten wie die anderen europäischen Ligen der Männer. Die Rechte an EuroLeague und EuroCup hält weiterhin die Telekom mit ihrem Portal Magenta TV. Die größte Abdeckung erreicht Dyn im Handball. Das Angebot umfasst neben der "Liqui Mobil HBL" der Männer auch die Frauen-Bundesliga, die 2. Liga sowie Champions und European League (jeweils Frauen und Männer). Für den Sechsjahresvertrag allein mit der Handball-Bundesliga (HBL) musste Dyn rund 100 Millionen Euro zahlen. Ein Handballspiel war auch die erste Live-Übertragung bei Dyn. Blöd nur, dass der Supercup am 23. August zwischen dem THW Kiel und den Rhein-Neckar Löwen nicht für alle Nutzerinnen und Nutzer ein Vergnügen war, weil es zu verschiedenen Störungen kam.

"Technische Probleme gibt es nicht mehr", erklärt nun Oliver Lücke, Mediendirektor der Handball-Bundesliga. Alle Spiele in den Bundesligen der Männer und Frauen würden stabil laufen. Umso mehr seien die Ligen mit der Entwicklung der Reichweite von Livespielen und der zwischen den Spieltagen angebotenen Inhalte zufrieden. Kritische Stimmen von Fans gab es auch im Tischtennis, da für bisher kostenlose Livestreams nun Abo-Gebühren anfallen. Thomas Ohl von der Tischtennis Bundesliga (TTBL) verweist jedoch auf die verbesserte Produktionsqualität und eine noch umfangreichere Berichterstattung. Die TTBL sei mit dem Start zufrieden und sieht sich "mit Dyn für die Zukunft gut aufgestellt".

Dyn beschäftigt nach eigenen Angaben "ca. 60 Vollzeitangestellte". Die Bilder in den Top-Ligen in Handball und Basketball liefert mit NEP ein global agierender Dienstleister. Die weniger aufwändigen Übertragungen etwa in der 2. Handball-Bundesliga oder in Volleyball, Tischtennis und Hockey produziert das Düsseldorfer Unternehmen Spontent in Zusammenarbeit mit den Vereinen vor Ort. Die Folge ist allerdings auch, dass es keine einheitliche Qualität, sondern eine große Spannweite gibt – auch in der journalistischen Begleitung.

Die neue Sport-Plattform gibt zwar keine Zahlen bekannt, doch Sprecherin Julia Päschke-Bergander betont, dass Dyn bisher jedenfalls nicht unter den eigenen Zielvorgaben bleibe: "Wir sind mit unserem Start sehr zufrieden." Und: "Wir wachsen täglich." Rund um Live-Rechte und Social-Media-taugliche Highlight-Clips baut Dyn eine Format-Welt auf, die vor allem auf Insider-Expertise und Nähe zu den Stars setzt. Wobei vielfach ehemalige Sportler journalistisch tätig werden. Zudem gibt es wöchentliche Magazine und ambitioniertere Formate wie "Dyn 360", das Raum für längere, persönliche Interviews bietet.

Aber Dyn wirkt noch wie eine geschlossene und mit sich selbst beschäftigte Sportwelt. Häufiger über den eigenen Horizont hinauszublicken, täte Dyn gut.

Thomas Gehringer arbeitet als freiberuflicher Journalist und Medienkritiker in Köln für den Evangelischen Pressedienst, den Tagesspiegel (Berlin), die Westdeutsche Zeitung (Wuppertal) und tittelbach.tv.

(Anm. der Red.: Der Text ist eine gekürzte und aktualisierte Version eines Artikels, den epd medien am 3. November 2023 veröffentlicht hat.)