Leserbrief zu Sportlerwahl-Artikel

Schlag ins Gesicht all derer, die ihre Stimme abgegeben haben

11.01.2023

Leserbrief von Hartmut Binder zum Artikel „Kritische Stimmen zur Wahl der Sportler des Jahres’ 2022“ im Januar-Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Das VDS-Mitglied ist stellvertretender Vorsitzender des Vereins Sportpresse Württemberg.

 

Hier können Sie den Artikel nachlesen, auf den sich Hartmut Binder bezieht.

Die seit 1947 von der Internationalen Sportkorrespondenz (ISK) organisierte Wahl „Sportler des Jahres“ (Sportler/Sportlerin/Mannschaft) ist eine exklusive Wahl, an der sich nur die mehr als 3000 Mitglieder des Verbands der Deutschen Sportjournalisten (VDS) beteiligen dürfen. Seit über zehn Jahren gehöre ich zum Orga-Team und bin also einer der „Praktikanten“, die jedes Jahr die Vorschlagslisten erstellen.

Drei Tage lang sind wir im Herbst quasi in Klausur, machen uns Gedanken, was im abgelaufenen Jahr an sportlichen Veranstaltungen, Erfolgen oder sonstigen Ereignissen „abstimmungswürdig“ gewesen ist. Die daraus resultierenden Listen werden den VDS-Mitgliedern mit den Wahlunterlagen zugesandt, damit sie nicht – wie wir – sich drei Tage lang überlegen müssen, wen sie überhaupt wählen können.

In der Präambel der Stimmzettel, die mit den Listen verschickt werden, ist ausdrücklich von einer „unverbindlichen Vorschlagsliste“ die Rede, an die sich also niemand halten muss und die lediglich eine „Erinnerungshilfe“ sein soll, weil viele – auch wir, wenn wir darüber diskutieren – nicht mehr auf Anhieb wissen, was im Januar und Februar des entsprechenden Jahres alles passiert ist (Foto Hartmut Binder: privat).

Wenn jetzt die Ergebnisse der Sportlerwahl 2022 so heftig kritisiert werden, ist dies ein Schlag ins Gesicht all derer, die ihre Stimme abgegeben haben. Damit wird ihnen Inkompetenz vorgeworfen und die Fähigkeit abgesprochen, das sportliche Jahr „richtig“ eingeschätzt zu haben. Es lässt sich natürlich trefflich streiten, ob der Modus noch zeitgemäß ist. Aber: Es ist seit 1947, als Kurt Dobbratz erstmals die „Mutter alles Sportlerwahlen“ ins Leben rief, immer eine Abstimmung gewesen, die jeder für sich vorgenommen und nach seinem Geschmack gestaltet hat.

Dass in den letzten Jahren immer weniger von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und abgestimmt und sich jetzt nur etwa ein Drittel der VDS-Mitglieder beteiligt haben, steht auf einem anderen Blatt. Tatsache ist: Wer nicht zur Bundestagswahl geht, darf sich nachher auch nicht über die Regierung beklagen. Sprich: Wer die Stimmzettel zur Sportler-Wahl nicht ausfüllt und abschickt, kann sich jetzt nicht über das Ergebnis mokieren.

Warum kam denn von den Abstimmenden kein Votum für die Basketballer zustande? Weil von den Kolleginnen und Kollegen, die sich beteiligt haben, eben nicht genügend Stimmen für das EM-Bronze-Team abgegeben wurden.

Es würde mich freuen, wenn die aktuelle Diskussion dazu führen würde, dass im November 2023 alle – oder zumindest der Großteil – der Abstimmungsberechtigten ihre Stimme abgeben (gell, Herr Kollege Schneller?) – und wir damit ein repräsentativeres Bild haben, was in diesem Jahr ehrungswürdig gewesen ist.

Hartmut Binder (stellvertretender Vorsitzender Verein Sportpresse Württemberg)