Die Wahrheit über das Jahrhundert-Foto

Uwe Seeler im Wembley-Stadion

03.05.2016

Uwe Seelers Abgang beim WM-Finale 1966 ist ein „Sportfoto des Jahrhunderts“. Doch wann entstand das Motiv? In der Halbzeit oder nach dem Schlusspfiff? Hier gibt es die Auflösung des jahrzehntelangen Disputes.

Autor: Günter R. Müller

Nach dem Brief des Kollegen Steffen Haffner („Nach meinem Kenntnisstand ist das Bild in der Halbzeitpause entstanden“) in der April-Ausgabe des sportjournalist bin ich noch einmal tief in die Geschichte dieses Bildes eingetaucht. 50 Jahre sind eine lange Zeit – da ranken sich um ein „Sportfoto des Jahrhunderts“ schon mal Legenden. Und diese wollen wir jetzt endgültig aus der Welt schaffen.

Mit meinen Nachfolgern bei der Fotoagentur Sven Simon habe ich 50 Jahre alte Originalnegative durchwühlt. Hier nun zeigen Filmstreifen eindeutig die Fortsetzung zum „Sportfoto des Jahrhunderts“. Das Studium der Serie belegt, dass Uwe Seeler nicht in der Halbzeit auf dem Weg in die Kabine ist, sondern auf dem Weg zur Ehrenloge des Wembley-Stadions.

Ein zusätzlicher Beleg für ein Motiv nach Spielschluss ist mir bei den Recherchen im Internet in die Hände gekommen. Die Militärkapelle (Foto: Sven Simon) ist erst nach dem Schlusspfiff aufmarschiert und zeigt an gleicher Stelle Bobby Moore mit dem Pokal auf der Ehrenrunde. Licht- und Schattenlängen sind mit dem „Sportfoto des Jahrhunderts“ absolut identisch.

Und wäre nun dieses Bild – wie fälschlicherweise immer wieder gern behauptet – in der Halbzeit entstanden, also rund eine Stunde vorher, dann wäre diese Schattenbildung auf dem Spielfeld nicht möglich.

Übrigens wird dieses alles demnächst auch im Museum des Deutschen Fußball-Bundes in Dortmund belegt, zum aktuellen Anlass – 50 Jahre nach dem 30. Juli 1966, dem Tag der denkwürdigen deutschen 2:4-Niederlage im WM-Finale gegen England.

Günter R. Müller (Foto: Sven Simon) gründete 1968 mit Axel Springer jun. die Fotoagentur Sven Simon, die er als Geschäftsführer und Fotograf bis 1995 leitete. Die Fotografen Franz Wälischmiller und Frank Hörmann, beide Geschäftsführer, leiten die Agentur bis heute in Mülheim/Ruhr.