Seit 30 Jahren auf Sendung – Sport1, ehemals DSF

Viel drumherum statt nur mittendrin

23.02.2023

In Ismaning bei München finden sie viele gute Gründe, stolz zu sein auf 30 Jahre DSF und Sport1. Sie haben Marken, Menschen und Formate entwickelt, sogar Pionierarbeit geleistet. Geblieben ist der Makel, dass ihr Free-TV-Sender mehr denn je nur als Gemischtwarenladen funktioniert.

Autor: Maik Rosner

Als sie im Doppelpass am 22. Januar auf 30 Jahre Deutsches Sportfernsehen (DSF) und Sport1 zurückblickten, haben sie auch daran erinnert, wer alles Teil der Geschichte des Senders ist. Darunter Barbara Schöneberger, die sich 1999 zu Beginn ihrer TV-Karriere als Moderatorin des DSF-Tennismagazins Tie-Break versuchen durfte, obwohl sie keine Ahnung von der Sportart hatte.

Als Spielstand las sie der Überlieferung nach einmal ein 65:32 von der Anzeigetafel ab – es stand 6:3 und 5:2. Wirklich viel Tennis-Wissen scheint sich Schöneberger seither nicht angeeignet zu haben. „Ich war mir gar nicht sicher, wie das mit dem Vorteil und Rückteil und dem Zählen funktioniert“, sagte sie in einer Grußbotschaft zum Jubiläum (Foto Erste Doppelpass-Sendung 1995: DSF/Sport1).

Es sind solche Geschichten, die auch etwas darüber erzählen, dass das DSF und seit der Umbenennung 2010 nun Sport1 stets auch einen Platz zum Ausprobieren bot und noch immer bietet, manchmal über Schmerzgrenzen hinaus. Mit Selbstironie sagte Olaf Schröder, Vorstandsvorsitzender der Sport1 Medien AG und Vorsitzender der Geschäftsführung der Sport1 GmbH, im Jubiläums-Doppelpass über die Anfangszeit: „Wir wussten damals nicht, was wir tun. Wir haben es einfach gemacht.“

Zumindest an der Bereitschaft, Dinge auszuprobieren, hat sich bis heute nicht viel geändert. „Das Prinzip Trial and Error‘ ist Teil unserer Aufgabe“, findet Schröder. Das gilt für den frei empfangbaren TV-Sender ebenso wie für die Pay-TV-Kanäle Sport1+ und eSports1, die Multisport-Streaming-Plattform Sport1 Extra sowie für die weiteren digitalen Angebote von der App bis zur Website.

Schröder kam im März 1993, kurz nach dem Sendestart am 1. Januar, als Praktikant zum DSF und blieb bis heute. Er erlebte die „wilde Zeit“ also nahezu von Anfang an mit und findet auch deshalb viele gute Gründe, mit Stolz auf die mehr als 30 Jahre zurückzublicken. Marken, Menschen und Formate haben sie entwickelt, darunter den 1995 gestarteten Fußballtalk Doppelpass, ihr wichtigstes Aushängeschild. Das für die Sendung erfundene Phrasenschwein ist seit 2009 sogar im Duden zu finden.

In Schröders Büro steht noch das erste offizielle Phrasenschwein, daneben hängt die Mütze des 2015 verstorbenen Experten Udo Lattek. Zuletzt profitierten sie bei der Darts-WM vom Halbfinal-Einzug des Deutschen Gabriel Clemens. „Als auf einmal ein Sport1-Format in der Tagesschau zu sehen war, haben wir das schon als Ritterschlag empfunden“, sagt Schröder.

Stolz sind sie in Ismaning auch darauf, dass viele bekannte TV-Gesichter für das DSF bzw. Sport1 tätig waren, von Rudi Brückner und Frank Buschmann über Laura Wontorra und Laura Papendick bis hin zu Wolff-Christoph Fuss und Axel Balkausky. „Wir haben die Medienlandschaft in Deutschland mit Personal vor und hinter der Kamera maximal unterwandert‘“, sagt Schröder und lächelt.

Florian König, der aktuelle Doppelpass-Moderator, ging zwar den umgekehrten Weg und kam von RTL. Doch in erster Linie verstehen sie sich weiterhin als Talentschmiede. Teilweise haben sie sogar Pionierarbeit geleistet. Schon in der 1990er-Jahren hatte das DSF eine Fußballchefin. Ulla Holthoff, die Mutter von Mats und Jonas Hummels, kommentierte zudem als erste Frau im deutschen Fernsehen ein Fußballspie (Sport1-Führungskraft Olaf Schröder: Sport1).

Geblieben ist der Makel, dass ihr Free-TV-Sender mehr denn je nur als Gemischtwarenladen funktioniert. Teleshopping, Die Drei vom Pfandhaus und die Sexy Sport Clips füllen zuweilen fast rund um die Uhr das Programm. Im Januar wurden manchmal nur 45 Minuten Sport täglich geboten, jedenfalls brutto. Die Nettozeit war durch die Werbung noch geringer. Das alte Sendermotto „Mittendrin statt nur dabei“ müsste eher heißen: Viel drumherum statt nur mittendrin.

Schröder weiß um die Kritik an der Programmgestaltung. Doch mehr Sport zu zeigen sei wegen der Quotenzwänge oft nicht möglich, erklärt er, „deshalb setzen wir tagsüber auf Dokutainment, denn das funktioniert zu dem Zeitpunkt besser als die meisten Sportinhalte.“ Von diesen werden sie weiterhin neue ausprobieren. Von der kommenden Saison an halten sie die Live-Rechte an 22 Topspielen der Frauen-Fußball-Bundesliga, gesendet wird am Montagabend.

Zudem arbeiten sie bei Sport1 gerade an einem neuen Format. Dieses werde „für Furore sorgen“, glaubt Schröder. Gehen soll es darin um die Frage, wem große Sportmomente wie Mario Götzes Tor zum WM-Titel 2014 gehören und wie man deren Wert veräußern kann. Bestandteil des Formats werden sollen unter anderem Protagonisten wie der hauseigene Experte Stefan Effenberg. Mittel- bis langfristig soll die Zukunft von Sport1 sehr digital werden.

Barbara Schöneberger ist längst weitergezogen. Zum Jubiläum übermittelte sie die besten Wünsche und ihren Dank für das Sprungbrett DSF, das sie auch ohne Tenniskenntnisse zu nutzen wusste. Lachend sagte sie in ihrer Videobotschaft: „Am Ende ist ja alles gut gegangen, zumindest für mich.“

Zum Autoren Maik Rosner: Jahrgang 1976, Studium der Sportwissenschaft, danach vier Jahre lang Redakteur bei der Nachrichtenagentur Sport-Informations-Dienst. Anschließend freier Korrespondent, zunächst in Südafrika, später in Brasilien, seitdem wieder in München. Mitglied des dortigen VDS-Regionalvereins.