Zu den besonderen (emotionalen) Schätzen in meinem kleinen Sportbücherregal daheim zählen zwei Werke aus den 1960er-Jahren, die mir als Kind den Fußball nähergebracht haben. Neben Vaters Begeisterung natürlich. Erstens das „Schneider Lexikon Fußball“, und zweitens ein Buch von Wilhelm Fischer über die Fußball-Weltmeisterschaft 1966 in England – „Fußballbuch für die Jugend“, pries der Verlag es an.
Und dann las „die Jugend“ da von „dunkelhäutigen Gauchos“, von „schwarzen Perlen“, der „russischen Dampfwalze“, den „Urus“, die „die Maske fallen ließen“, und den nordkoreanischen „Ameisen“. Bei Deutschland spielte „Einmanntorpedo“ Höttges in einer „Schlacht“.
Es „donnerte“, „schoss“ und „knallte“ jemand „Scharfschüsse“ und „Kopfballtorpedos“, auch „Schusskanonaden“ und „Granaten“. Wir hatten auch mal einen „Bomber der Nation“. Diese Menge an rassistischen und Kriegsvokabeln ist heute unvorstellbar (Hardt-Foto: privat).
Dass das „Lexikon“ den Schuss erklärt, den Angriff, den Sturmtank und die Bombe – schon klar. Es heißt darin 1968 aber auch: „Heute bemühen sich sprachgewandte Journalisten, die kriegerischen Ausdrücke aus dem Fußball fernzuhalten.“ Nun ja.
Die Militärmetaphorik eines „Schusses“ fällt uns ja gar nicht mehr auf. Wie soll es auch sonst heißen, wenn einer „abzieht“? Vollspannstoß? Dennoch, jetzt, wo wir quasi vor unserer östlichen Haustür Zeuge entsetzlicher Gräuel werden, merken wir es vielleicht wieder. Und es stört beim zweiten Hören dann doch.
Es hat sich so eingebürgert, niemand vermutet Böses
Kürzlich erst „belagerte“ der BVB den Mainzer Strafraum, „demütigte“ der FC Bayern einen Gegner, „kämpfte“ Fürth „tapfer“, waren Spieler „im Visier“, „jagten“ Manager Profis und gelang Vereinen der „Befreiungsschlag“. Hat sich so eingebürgert, niemand vermutet Böses und schon gar nicht, dass wir Sport mit Krieg gleichsetzen würden.
Und zum Glück haben sich die „Bomben“, „Granaten“, „Kracher“ und „Böller“ der 1950er- und 1960er-Jahre weitgehend verabschiedet aus der Sportreportage. Dafür haben wir jetzt die „Buden“ und die Teams, die sich „belohnen“ oder auch nicht. Das kann man auch kaum noch hören in seiner ewigen Wiederholung. Besser als „Volltreffer“ und „Todesstoß“ ist es aber allemal.
Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne „Hardt und herzlich“ für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.
15.04.2022